Ein Kind mit speziellen Bedürfnissen in seinen Armen zu halten und sein eigenes zu nennen löst einen tiefgreifenden Prozess aus. Plötzlich werden Gefühle, Ängste, Glaubenssätze und Stimmen wach, die man vorher in dieser Intensität nicht kannte.
Wir hielten unser Baby in unseren Armen und liebten es aus tiefem Herzen von der ersten Minute an. Sie gehörte zu uns und ich spürte auch gleich - sie passt zu uns. Sie macht unsere Familie komplett. Sie ist das schönste Geschenk des Himmels.
Aber gleichzeitig haben wir ein anderes Kind erwartet, von dem wir uns auch verabschieden mussten, das mit der Geburt von Calista "gestorben" ist. Ein Kind, das die gesellschaftlichen Normen erfüllt, das "gesund", "schön" und "intelligent" ist. Weil es die vermeintlich besten Voraussetzungen für ein glückliches, erfülltes Leben sind. Ich ging neun Monate schwanger in der Erwartung einer dritten Tochter, die sich nur vom Charakter und Aussehen von den anderen Schwestern unterscheidet. Wir freuten uns darauf, malten Luftschlösser und stellten uns vor, wie es dann sein wird.
Und plötzlich ist es anders. Wir haben ein Kind bekommen, das sich kaum jemand wünscht. - Ja, auch wir hätten Down Syndrom nicht auf der Wunschliste angekreuzt, doch wir haben Down Syndrom auch nicht abgelehnt. Wir wollten dem Leben gegenüber offen bleiben.
Und nun kamen trotzdem die Gedanken "Warum wir?", "Haben wir etwas falsch gemacht?", "Steht uns ein 'normales' Kind nicht zu?". Es sind kirchliche Stimmen, die Antworten auf "Strafe", "Sühne" oder "Busse" suchen. Natürlich ist das alles Unsinn, doch es ist immer noch unbewusst in unserer Kultur verankert.
Es kamen Gedanken wie: "Wir gehören nicht mehr dazu", "Wir sind selber schuld", "Wie reagieren die Anderen?", "Müssen wir etwas Lernen?". Es sind gesellschaftliche Stimmen, gesellschaftliche Werte in denen wir leben.
Auch Stimmen der Angst und der Sorge waren da. "Wie werden wir nun weiter leben?", "Können wir immer noch unbeschwert und glücklich sein?", "Muss ich meine Bedürfnisse nun immer stark zurück stecken?" "Wie betrifft es die anderen Familienmitglieder?", "Wird Calista ein glückliches Leben führen können?"
Viele verschiedene Stimmen steckten anfangs in mir drin und je nach Tagesverfassung, je nachdem was sonst gerade passierte, je nach Stimmung wurde die eine oder andere mal stärker. Ich war dann traurig, deprimiert oder einfach schwach. Ich hörte mir die Stimme an, immer wissend, dass es nichts mit meinem süssen Mädchen zu tun hat. Die Liebe zu ihr ist für mich unantastbar. Es hatte nur mit mir zu tun und ich trug es still in mir aus.
Einige Stimmen verstummten ganz oder wurden sehr leise, andere kommen manchmal noch. Denn die Gedanken um die Zukunft sind oft da, mal stärker, mal schwächer. - Ich möchte Calista später nicht einfach so in ein Heim oder Werkstätte geben, ich wünsche mir für sie ein möglichst selbstbestimmtes Leben mit den Menschen, die sie sich so weit wie möglich selbst aussuchen kann.
Ich mache mir auch viele Gedanken zur Gesellschaft und ihren Werten und warum Menschen mit speziellen Bedürfnissen zuerst immer als Unglück gelten, warum wir immer noch in solchen Wertmaßstäben leben. Ich lebe in dieser Gesellschaft und habe ihre Werte auch verinnerlicht. Deshalb passiert viel in mir drin... Ich muss mich all diesen Stimmen stellen, ich muss sie anhören, denn ich will mich gleichzeitig auch von ihnen lösen. Kann ich mich jemals ganz davon befreien? Ich weiss es nicht. Ich strebe es an.
Es waren aber auch von Anfang an die Stimmen der Dankbarkeit, der Freude und des Stolzes da. Wir haben ein spezielles Kind bekommen, ein Kind das uns eine neue Welt eröffnet und uns auf eine Reise mitnimmt, die wir ohne sie nie machen würden.
Aber das beste Gegenmittel in diesen Momenten von Trauer, von Unsicherheit und Betrübtheit ist für mich immer, den Blick auf die Gegenwart zu richten: Calista anzuschauen, sie zu halten, an meine Brust zu drücken. Sie hat eine so liebliche Ausstrahlung, ist zufrieden und strahlt mich so herzlich und unbefangen an. Worüber soll ich mich sorgen? Der Moment ist perfekt, alles stimmt. Ich liebe Calista.
Es waren aber auch von Anfang an die Stimmen der Dankbarkeit, der Freude und des Stolzes da. Wir haben ein spezielles Kind bekommen, ein Kind das uns eine neue Welt eröffnet und uns auf eine Reise mitnimmt, die wir ohne sie nie machen würden.
Aber das beste Gegenmittel in diesen Momenten von Trauer, von Unsicherheit und Betrübtheit ist für mich immer, den Blick auf die Gegenwart zu richten: Calista anzuschauen, sie zu halten, an meine Brust zu drücken. Sie hat eine so liebliche Ausstrahlung, ist zufrieden und strahlt mich so herzlich und unbefangen an. Worüber soll ich mich sorgen? Der Moment ist perfekt, alles stimmt. Ich liebe Calista.
Sie ist wunderschön eure Calista!
AntwortenLöschenIch freue mich deinen Blog gefunden zu haben. Du hast viele Gedanken niedergeschrieben, die ich hatte und habe, aber leider nicht in Wprte fassen kann. :)
Unsere Tochter Emelie wird nächste Woche 3 Jahre alt. Es ist nicht immer leicht mit ihr, aber genausowenig ist es leicht mit ihrem kleinen Bruder, der keine Sonderausstattung hat.
Liebe Grüße
Sophia
www.windelfreie-emelie.blogspot.com
Liebe Sophie
AntwortenLöschenDanke Dir für Deinen guten Kommentar. Ist es nicht so, dass jedes Kind seine Besonderheit mit sich bringt? Alle bringen Sorge und Freude mit sich, einfach etwas anders gelagert, manchmal.
Best,
iren
Sonderausstatung.. hihi.
AntwortenLöschendie hat doch jeder nicht wahr?
schöner blog Iren! schön das ich ihn heute Gegenden habe!