Dienstag, 24. Dezember 2013

Glück ist nicht planbar

Vor über einer Woche, da war Freitag der dreizehnte.

Freitag, 13.12.13. 

So viel Glück aufs Mal, das wollte ich speziell feiern! Es war mein Geburtstag. So ein Tag, vollgespickt mit Glückssymbolen, habe ich genau nur einmal in meinem Leben. Den wollte ich feiern. Ich wollte etwas speziell Schönes erleben, um den Tag unvergesslich zu machen.

Ich wollte meinen Glückstag planen, um voll und ganz und noch eins oben drauf glücklich zu sein. Glück trinken, vierundzwanzig Stunden lang… Ich übertreibe? Ein bisschen…


Wir planten eine Kurzreise nach Italien, in die Berge. Zwei Autostunden östlich von Rom gibt es ein, noch sehr authentisches, mittelalterliches Dorf, entlegen in der Ruhe. Ein Ort, der schon auf den Fotos Magie ausgestrahlt hat. Dorthin wollte ich mein Glück buchen!

Zwei Tage davor, es ist Nacht und Calista ließ mich kaum schlafen, weil sie gerade in dieser Nacht krank wurde, da wälzte ich meine Gedanken und beim Erwachen, da waren meine ersten Sätze zu Christian: Ich habe nachgedacht, wir sagen unsere Italienreise ab. Es ist zu verrückt und Calista ist krank. Wir verschieben die Reise in den Frühling…


Während Calista in meinen Armen vor sich hin kränkelte, buchte ich zwei Nächte in Vals. Das Glück einer unvergesslichen Reise wollte ich nicht aufgeben. Das Dorf Vals liegt am Ende eines Tales, in den Schweizer Bergen, und hat ein sehr bekanntes Thermalbad, gebaut von Peter Zumthor. Wir waren noch nie dort, haben es uns aber schon lange gewünscht. Hinzu kommt, dass es in Vals das schönste Bed and Breakfast gibt, das ich je gesehen habe: Brücke 49
In der Brücke konnten sie uns, so kurzfristig, nur noch eine Nacht anbieten, danach waren sie voll. Wir nahmen die eine Nacht dankend an und ich freute mich über das Glück, wenigstens eine Nacht dort schlafen zu können, wenigstens an meinem Geburtstag dort erwachen und frühstücken zu dürfen.




Die Brücke ist sehr stilvoll, gemütlich und liebevoll renoviert und eingerichtet worden. Die Gastgeber sind äußerst freundlich und offen und man fühlt sich gleich sehr wohl. Wir sahen uns im ganzen Haus um, schauten und staunten und ich fragte mich, wie viel Schönheit ein Mensch aufs Mal aufnehmen kann. In der Brücke muss man länger bleiben, oder wieder kommen. Dieser Ort bietet Zeit an und da sollte man zugreifen... 




Obwohl die Betten sehr komfortabel waren, konnte ich die ganze Nacht kaum ein Auge zu drücken. Thalia wurde wach und weinte, weil sie Halsschmerzen kriegte. Wir nahmen sie dann zu uns ins Bett. Später wurde Calista wach und mit ihr Cosima, weil sie zusammen in einem großen Bett lagen. Während Calista wieder einschlief, blieb Cosima über eine Stunde schlaflos... So ging es weiter, bis zum Morgen. Bis zu meinem Glückstag. 

Als ich dann zum Frühstück runter kam und mir meine Familie das Happy Birthday to you! zu jubelte, sah ich ganz müde und zerknittert aus. Ich lächelte und setzte mich an den Tisch mit all den liebevoll zubereiteten und leckeren Speisen. Ich genoss diesen Moment, doch fühlte ich mich bei weitem nicht so, wie ich es mir geträumt habe. Als die Gastgeberin mich fragte, ob wir gut geschlafen haben, da entgegnete ich: Ich habe wunderbar gelegen, aber sehr schlecht geschlafen... Hab ich mich doch so auf dieses weiche, wohlige Bett gefreut und auf einen gesunden, tiefen Schlaf. Aber das Glück kann man nicht planen. 
Sie legte gerade ofenfrische Cräcker nach und nickte: Ja, so ist es! 



Oder ist es nur jenes Glück, das man sich im Vorfeld ausmalt, das man nicht buchen kann? Ganz nach der Lebensweisheit: "Genaus so. Aber anders." - Es war trotzdem mein Glückstag. Es gab viel kleines und großes Glück um mich herum und ich schaute es dankbar an. Und wenn man etwas anschaut und beachtet, dann beginnt es zu leben. So ist es, oder?



Unsere Reise endete dann auch in einem unerwarteten Glück. Weil der Silvaplaner See zugefroren war, ohne dass es während des Gefrierprozesses hineinschneite, entstand "schwarzes Eis". Das heißt, klares, glattes Eis. Dunkel, tiefgründig und geheimnisvoll. Das ist eine Besonderheit, die es selten gibt. Umso schöner! Wir fuhren also auf dem Nachhauseweg einen Abstecher über den Julierpass, aßen ein Fondue und gelangten bei schönster Nachmittagssonne an den Silvaplanersee. 








Die Stimmung auf dem kalten, dunklen und zugleich spiegelglatten Bergsee, bei warmer Sonne und blauem Himmel, mit all den Menschen, die sich des Lebens freuten, war wunderschön! Es lag eine Leichtigkeit in der Luft, frisch wie eine Bergbrise; mein Herz machte immer wieder Hüpfer. Diese Stunden des ungeplantes Glücks waren der perfekte Abschluss meiner Anstrengung, etwas unvergessliches in mein Glückstag, in mein Glückswochenende zu packen.


Glück planen zu wollen ist auch eine der Hauptanstrengungen, die wir Menschen an Weihnachten machen. Wir wünschen uns ganz fest Harmonie, Liebe und Glück für diese Tage. Es soll genau so sein und wir tun alles dafür: Putzen, dekorieren, basteln, backen, kochen und Geschenke aussuchen. Aber... wir wissen alle, dass die Stimmung leicht kippen kann, dass Weihnachten nicht immer Fest der Liebe verspricht. Lass uns also kurz zurück lehnen, tief einatmen, ausatmen. Und nochmals. Mögen wir los lassen von unseren Vorstellungen und Wünschen, mögen wir einfach das Herz öffnen um die Liebe und Harmonie und das Glück, das bereits um uns herum ist, sehen zu können. 


*                            *
      *        Ich     *
             wünsche     *        *
            Euch allen                *   
   *     von Herzen Tage
     der Achtsamkeit, damit    *
               ihr
*           ohne große                *
        Anstrengungen die
     Harmonie, Liebe und das
  Glück um Euch herum sehen und
aufnehmen könnt, im Herzen und in der  
               Seele.
               Eure
               Iren.



Frohe Weihnachten!

Donnerstag, 12. Dezember 2013

Eine eigene Choreographie

Schon sehr lange wollte ich diesen Post schreiben. Schon lange ist's her, dass Fränzi bei uns am Esstisch sass und dabei Calista genussvoll beobachtete, wie sie zur Musik tanzte. Und immer noch höre ich ihren philosophisch ausgerichteten Kommentar in meinem Ohr: Calista hat ihre eigene Choreographie. Diese Worte haben mich die vergangenen Wochen und Monate begleitet und ich nickte innerlich immer wieder vor mich hin.


Calista wird in einem Monat vier Jahre alt. Sie ist natürlich nicht wie eine übliche Vierjährige, sie ist anders. Sie ist nach "Schulbuch" verlangsamt in der Entwicklung und steht etwa auf dem Stand einer knappen Dreijährigen. Anhand ihrer sprachlichen Entwicklung oder Feinmotorik, Spielverhalten etc. wird dieser Stand bestimmt. Doch ich denke immer wieder, dass diese Beschreibung auch nicht richtig ist. Sie ist trotzdem nicht wie eine Dreijährige. Sie ist anders. Sie tanzt ihre eigene Choreographie. Sie lebt nach einem eigenen Plan. Und dies fasziniert mich immer wieder: Ihr Wesen, welches wir zunehmend entdecken dürfen.


Calista fährt zum Beispiel nicht zielgerichtet mit ihrem Roller herum, es geht ihr nicht darum, von A nach B zu kommen, nein, sie fährt (falls die Sonne scheint) mit ihrem Schatten zusammen Roller. Das macht ihr Spaß und sie guckt immer, ob diese schwarz-graue Figur auf dem Boden mitkommt... Wenn Calista rennt, dann guckt sie auf den Boden und schaut, wie ihre Schuhe, den linken und den rechten, abwechslungsweise vorne sind. Und dies passiert ganz schnell, weil sie ja rennt. Diesen Rhythmus begeistert sie. Und mich neuerdings auch. Wenn Calista energische Striche aufs Papier malt, dann schaut sie nicht nur auf das Ergebnis, sondern sie beobachtet fasziniert die Bewegungen ihres Armes. Sie schaut, wie ihr Arm hin und her bewegt, wie die Hand dies übernimmt und der Stift in ihrer Hand dann diese Bewegung aufs Papier überträgt. - Und ich sitze daneben und staune. Denn so habe ich das noch nie betrachtet, diese "Bewegungstudien" habe ich so genau noch nie gemacht. 



Kürzlich, da habe ich Calista gemahnt, dass sie nicht mit der Hand über die geparkten Autos streifen soll, weil dies ganz schwarze Finger gäbe: Schau mal Calista, nun ist deine Hand ganz schwarz und dreckig! Und wir schauten beide auf ihre schmutzige Hand, sie hat verstanden. - Was habe ich aber mit diesem Satz bei ihr ausgelöst? Sie übernimmt meine Wertung nicht und meine Erziehungsabsichten sind ihr egal. Ich habe ihr Interesse an diesem Phänomen geweckt! Nun geht Calista freudig auf jedes Auto zu und fährt mit der Hand kurz darüber, schaut sich die Finger an und staunt: schwarz! - es funktioniert, mit jedem Auto: schwarz!



Ein ander Mal, da war ich mit ihr abends im dunklen Schlafzimmer, sie lag in unserem großen Bett und war am einschlafen. Ich saß daneben und streichelte ihre ßchen. Ihre Augen waren geschlossen, der Körper entspannt, sie atmete tief. Nun ist sie eingeschlafen, dachte ich. In diesem Moment raffte sie sich nochmals hoch, hob den Kopf, schaute mich kurz an und sagte: Tschüüss! Sank aufs Kopfkissen zurück und war in der nächsten Sekunde tatsächlich eingeschlafen. Schmunzelnd verließ ich das Zimmer. 



Ich erlebe so viele kleine Momente mit Calista, die mir zeigen, dass sie nicht einfach in ihrer Entwicklung verzögert ist. Nein, diese Bezeichnung passt nicht zu ihr. Sie ist anders. Sie spricht vielleicht wie eine Zweieinhalb- bis Dreijährige, oder hat eine Feinmotorik wie weiß nicht welcher Altersstufe entsprechend. Aber sie ist trotzdem nicht wie eine Zweieinhalb oder Dreijährige. Sie ist Calista, die bald vier wird. Vier Jahre, gelebt nach eigener Choreographie. Dies fasziniert mich. Und auch wenn sie täglich viel Geduld von mir abverlangt, weil sie noch weit entfernt von vernünftigen Handlungen ist, weil sie stets von ihrer Neugier und diversen Faszinationen getrieben ist, so freue ich mich an ihrer Andersartigkeit. Ich lasse mich gerne darauf ein. Wie kürzlich im Kinderspital, als sie ganz selbstvergessen und fasziniert die bunt angemalten Röhren anfasste und ihnen den weiten, langen Korridor folgte, ums Eck bog und verschwand, ohne eine Sekunde daran zu denken, dass sie sich von mir entfernt und mich verlieren könnte. Der Gastroenterologe und ich standen da und schauten ihr hinterher. Ich lachte und meinte nur: Darum liebe ich das Down Syndrom! - Absinken, eintauchen, ohne wenn und aber.

Es grüßt Euch herzlich
Iren, die noch gerne erzählen möchte, dass die Radiosendung über Calista den zweiten Platz des Featurepreises gewonnen hat! Ich habe Martina, die Preisträgerin, vor zwei Wochen an die Preisverleihung begleiten dürfen und musste während der Laudatio ein paar Tränen wegwischen... Kommenden Freitag, den 13. Dezember um 20h wird die Sendung nochmals ausgestrahlt. Ich freue mich sehr! Denn die Ausstrahlung wird exakt ein Geburtstagsgeschenk...

Und noch was: In der nächsten Ausgabe der österreichischen Zeitschrift "Woman" wird die Geschichte von Beslim nochmals erzählt, ich freue mich sehr!! Auch hier habe ich zum Thema nochmals sinniert.