Meine Füße suchen nachts die warme Bettflasche, um sich ein bisschen aufzuwärmen. Es ist kalt im Haus, die dicken Steinwände sind von der Sonne noch nicht aufgewärmt und Heizung gibt es nicht. So ist es bei uns in Frankreich. Und das Internet klappt mal, mal klappt es nicht. Ich will schon seit Tagen über Calista's Taufe schreiben, doch ich bin ein bisschen ab getaucht in unserem Haus, abseits von der Zivilisation, inmitten der Natur. Mit Familie und Freunden. Und mit der Bettflasche nachts im Bett, die mir, je nachdem wie warm sie noch ist, ein Zeitgefühl vermittelt. Je kälter sie ist, umso mehr ist es bereits Morgen.
Die Tage vor der Taufe war ich ein bisschen angespannt, weil einiges nicht so zu laufen schien, wie ich es mir von zu hause ausgemalt habe. Aber wir konnten noch den "Père" treffen, der die Zeremonie übernahm. Und obwohl er am Tag zuvor sich weder an meinen Namen, noch an die Taufzeit erinnern konnte, war er mir beim Treffen sympathisch und ich war zufrieden. Zum Dorf gab es eine Umfahrung, die nicht sehr viel Zeit mehr beanspruchte und auch das kalte Wetter hat für Sonntag etwas nach gelassen und es regnete kein Tropfen. Die Torte war bestellt und die Gäste trafen täglich und stündlich ein. Das große, leere Haus füllte sich mit lachenden und aufgeregten Stimmen von Kindern und Erwachsenen; die Vorfreude auf das kommende Ereignis war groß.
Als ich an Ostern - an Calista's Tauftag - um halb sieben aufstand, sah ich aus dem Badezimmerfenster eine wunderbare Morgenstimmung. Ich wusste, heute gibt es einen speziellen Tag!
Erstaunlicherweise war meine ganze Familie genug früh aufgestanden, geduscht, geschminkt, angezogen, Kaffee getrunken und in guter Laune, so dass wir Gruppenbilder knipsen konnten, bevor alle ins Auto stiegen und in einem Konvoi nach Tourtour fuhren.
Die Kapelle ist etwas erhöht vom Dorf Tourtour und hat einen wunderbaren, weiten Ausblick aufs Hinterland. Es ist der Ort, wo Christian und ich ursprünglich heiraten wollten (noch bevor wir eigentlich heiraten wollten). Es war dann aus verschiedenen Gründen nicht möglich, doch ich konnte meinen Traum nie ganz verabschieden. Der Wunsch blieb in meinem Herzen und mit Calista's Taufe kam er endlich in Erfüllung...
Vor der Kapelle führte der "Père" einen kurzen, ritualisierten Dialog mit uns, wir mussten das Taufversprechen abgeben und alle Anwesenden durften Calista mit dem Finger ein Kreuzzeichen auf die Stirn malen.
Danach sind wir alle zusammen eingetreten, nahmen auf den reservierten Holzbänken Platz und eingebettet in den normalen Ostergottesdienst wurde Calista getauft. Sie war sehr gelassen dabei. Das kalte Wasser aus dem steinernen Taufbecken schien sie nicht zu beeindrucken, sie verzog keine Miene und weinte keine Sekunde. Sie guckte nur ganz interessiert um sich herum, schließlich war sie auf dem Kopf und da sieht die Welt ganz anders aus!
Nach französischer Tradition durften wir Calista das weiße Kleid und Häubchen erst nach der Taufe anziehen, als Symbol für die Reinheit. Dieser Kleiderwechsel gefiel ihr nicht und ich musste sie mit ihrem Lieblingsspielzeug unterhalten: Die Perlen sind meinen Joker. Habe ich diese Kette dabei, ist alles gut. Dann ist sie zufrieden und schenkt den Perlen ihre volle Aufmerksamkeit. Ach, meine kleine Lady!
Wir planten das Taufessen am Meeresufer, in unserem Strandrestaurant wo wir immer hin gehen. Dort trinken wir, Jahr für Jahr, unseren Rosé, Christian isst sein Filet de Boeuf mit Pfeffersauce und die Kinder wissen genau, wen sie fragen müssen, um ein Eis aus der Kühltruhe zu bekommen. Wir sind dort fast zu Hause. Auch wenn die Autofahrt von Tourtour ans Meer weit war, so war es uns im Vorfeld schnell klar, dass es keinen passenderen Ort gibt, um entspannt und ausgelassen zu feiern.
Es war sonnig, aber nicht sehr warm. Kaum da, lagen die Schuhe auf einem Haufen und die Kinder verbrachten die meiste Zeit am Strand und spielten mit den Wellen, suchten Muscheln und fein geschliffene Glasscherben. Die Badehosen waren teils eingepackt worden, teils mussten sie sich die Hose oder Leggins hoch krempeln und sich allmählich den nass gewordenen Kleidern entledigen.
Die Kinder beschäftigten sich am Wasser, wir Großen tranken Rosé und stießen auf Calista an. Unter der milden Frühlingssonne Frankreichs hatten wir alle Ferien- und Feierstimmung.
Calista stand im Mittelpunkt. Es war ihr Tag, sie spürte das und genoss es sehr. Sie hatte auch Feststimmung und lachte und kicherte viel. Sie entzückte uns alle mit ihrem süßen Gesichten, ihren strahlenden Augen und der guten Laune. Sie war unsere Prinzessin.
Lavendelkisselchen als Tischdekoration. Das war Cosimas Idee, zwei Tage vor Abfahrt kroch sie morgens zu mir ins Bett, wärmte ihre kalten Füße an meinen Beinen und fand plötzlich, man könne doch Lavendelherzen für Calistas Taufe nähen. Ich war gleich begeistert. Und wir gestalteten sie so einfach, dass es mit einer kleinen Nachtschicht zeitlich noch klappte. Sie passten gut, die weissen Stoffwindelherzen, die mit rosa Wolle und violetten Lavendelblüten gefüllt wurden.
Alle trugen das seine dazu bei, dass es zu einem unvergesslichen Fest wurde. Die Kinder tanzten, sie sangen und spielten Gitarre, mit eigens einstudierten Liedern.
Auf dem Weg zurück ins Haus, vom Meer wieder dem Land zugewandt, musste ich diese Stimmung festhalten. Wie ein Gemälde aus der Romantik, wie ein Caspar David Friedrich, erstreckte sich diese sanfte Hügellandschaft vor uns. Und ich freute mich, da hinein zu fahren, mich wieder in die wilde Natur des Hinterlandes zu begeben, in die Abgeschiedenheit unseres alten Steinhauses. Mit der Bettflasche zu meinen Füßen.