Thalia ist wieder einmal am Abkreuzen. Seit Tagen schon hat sie meine gemalte Liste und macht jeden Tag ein Kreuz. Noch eins. Dann. Ist. Es. Endlich. Soweit. Thalia wird sieben.
Mama, wann ist morgen? Hat sie mich heute Mittag gefragt, als sie neben mir auf der Küchenablage sass und ich mit klebrigen Fingern die Ricotta-Gnocchi im Griess ausrollte. In drei Tagen. War meine unüberlegte Scherzantwort. Also über-, übermorgen, Mama? Ich lächelte und gleichzeitig fand ich meine nicht-ernst-gemeinte Antwort nicht mehr so lustig. Thalia war es ernst und sie wollte eine genau Antwort. Noch einmal schlafen, mein Schatz, dann hast du Geburtstag! - Morgen wird Thalia sieben und wir haben heute Nachmittag bereits den Zitronenkuchen gebacken, den sie sich für den Frühstückstisch gewünscht hat. Wir alle freuen uns auf morgen.
Während die Gefühle für den morgigen Geburtstag ganz positiv besetzt sind, sind andere für die kommenden Tage bis zu den Ferien sehr gemischt. Es sind die letzten Kindergartentage von Thalia. Sie liebt ihren Kindergarten und fühlt sich dort sehr Zuhause. Spielen, basteln, malen, singen, Geschichten hören, draußen herum hüpfen. Kann das Leben für sie noch schöner werden? Sie spürt, dass der Wechsel in die Schule viele neue Herausforderungen an sie stellt und sie ist jemand, der alles sehr genau nimmt. Sie hat also Respekt davor. Und dennoch will sie größer werden und nicht stehen bleiben. Also will sie trotzdem in die Schule... Und dennoch im Kindergarten bleiben. Heute Abend meinte sie, dass sie nicht sieben, sondern sechs werden wolle, damit sie noch ein Jahr im Kindergarten bleiben könnte. Diese Veränderung in ihrem Leben beschäftigt sie sehr und dementsprechend ist sie zur Zeit emotional etwas instabil. Die Kindergärtnerin erzählte mir kürzlich, dass sie im Moment sehr anhänglich sei. Und ich weiss jetzt schon, dass ich am Freitag vor den Ferien, wenn die Kinder ihr Abschiedsritual im Kindergarten haben, ich diejenige sein werde, die eine Packung Taschentücher mitnehmen muss. Und eine Sonnenbrille...
Älter werden und die Herausforderungen des Lebens annehmen, das ist nicht immer einfach, auch in einem jungen Leben wie Thalia's. Aber es wird mit der Zeit dennoch einfacher, weil man sich selbst immer besser kennt und sich selbst vertrauen kann, nicht?
Vierzig werden ist so einen Meilenstein, so etwas wie der numerische Höhepunkt des Lebens, der auch sehr unterschiedlich gefeiert wird. Während ein Freund, der gerne Radfahrtouren macht, letztes Jahr zum Fest einlud mit den weisen Worten: "Ab jetzt geht alles leichter. Endlich geht's bergab." so hat mein Bruder letzten Samstag mit einem Hippiefest seine neue Dekade eingeläutet. Wir sind ja siebziger-Jahre-Babies und er wünschte sich, dass sich alle Gäste so anziehen, wie es damals Mode war, als er zur Welt kam. Ich fand es nicht sehr lustig, als ich die Einladung las. Hippie. Siebziger-Jahre. Schlaghosen. Ein Gräuel für mich. Ein Kindheitstrauma. Denn ich musste in den frühen 80er Jahren, als alle nur noch mit engen "Röhrli-Jeans" herum liefen, Kleider nachtragen, die Freundinnen mit älteren Kindern meiner Mutter gaben. Diese Säcke von Kleidern waren alle aus den 70er Jahren. Ich packte also eine Schlaghose nach der anderen aus und hätte nur weinen können, denn ich wusste, ich kriege keine Alternative. In der Schule liefen sie alle mit ihren knallengen Hosen rum und ich kam mit diesen altmodischen Dingen herangeflattert. Lustig? Nicht für mich, ich bekam dafür nur Spott. Für mich als Kind war es ein ernsthaftes Problem. So ernsthaft, wie Thalia, die grossen Respekt vor dem Wechsel in die Schule hat.
Ich habe dann meine Gefühle von früher überwunden und mich mit dem aufgebrummten Hippie-Motto versöhnt. Am Samstag waren wir alle wieder gesund und vergnügt grabschten wir Klamotten hervor, die uns hippig vorkamen. Unter viel Gelächter machten wir uns schön, Dion, unser Nachbar, fotografierte uns spontan, dann starteten die Motoren unseres VW Busses und fuhren los.
Das Fest war auf einer Waldlichtung und mit dem Bus hatten wir die Schlafplätze für die Kinder gleich mit dabei.
Es war ein Augenschmaus, all die bunten Blumenkinder zu begrüßen und man musste genau hingucken, um zu erkennen, wem man gerade um den Hals gefallen ist. Das Geburtstagskind erkannte ich natürlich trotz ganzer Verkleidung. Seine eigenen Geschwister würde man auch blind riechen, oder?
Wie schön waren all diese Blumen in den Haaren! Warum nur machen wir das nicht immer? Wie bunter und fröhlicher wäre unser Alltag...
Noch beschwingt vom Samstag, und in freudiger Erwartung auf die glänzenden Kinderaugen von morgen grüße ich Euch in die Nacht hinein: Love, Peace and Happiness!
iren xxx