Freitag, 8. Juni 2018

Perestroika - oder ein Zwischenbericht über unser Haus in den Bergen

Ob jemand noch meinen Blog liest? Ich weiss es nicht, denn so still wie in den letzten Monaten war es hier noch nie. Wie ich das letzte Mal über meine Idee schrieb, hier über Erziehung zu sprechen, war ich danach etwas überfordert. Anhand einiger Kommentare hatte ich das Gefühl, dass einige mir voraus sind, dass einige diesen Weg bereits länger gegangen sind als ich. Dass ihr, meine Leser, eher darüber schreiben solltet als ich. Auch stieg bei mir sofort den Anspruch, dass wenn ich darüber schreibe, es gehaltvoll zu sein hat. An diesem Anspruch scheiterte ich, bevor meine Finger jemals die Tastatur berührten. 

Der jetzige Post wird das Versprechen nicht einlösen, welches ich letzten Herbst gab. Aber ich löse ein anderes ein. Habe ich doch vor drei Jahren über unser Haus in den Bergen geschrieben. Über das Haus meiner Ahnen, welches von uns wieder zurück gekauft wurde und so wieder neues Familienleben, bekam. Im Kommentar wurde ich gebeten, später einmal über die Entwicklung des Hauses zu berichten, da wir ja eine Renovation planten. Dieses Versprechen, das ich damals gab, will ich heute einlösen.

In der obersten Wohnung, welche wir später vermieten werden, haben wir vor über zwei Jahren die Küche und das Bad neu renoviert. So viel wie möglich machten wir selber. Wir wussten, dass dieser Teil bleiben wird, unabhängig des restlichen Umbaus. Jetzt, da das ganze Haus eine Baustelle ist, sind die renovierte Küche und das neue Bad des obersten Stockes unsere Basis. Der Rest ist nicht mehr bewohnbar. Wir haben sogar kürzlich als ganze Familie in der Küche auf Matratzen geschlafen.

Vor drei Jahren:



Jetzt:




Das Bad damals:


Neues Bad:

Das Haus haben wir leer geräumt. Leer. Nicht nur die Möbel, sondern bis auf die Grundstruktur und noch weiter. Bis das ganze Haus fast nur noch einen einzigen Hohlraum war. Das brauchte Mut und war nicht von Anfang an so geplant. Als wir aber anfingen, die später reingebauten Wände, Böden und Decken rauszureissen, wurde der Blick frei auf die original Wände, Decken und Böden. Was wir da sahen, war nicht vertrauenserweckend. Die alten Wände wurden früher zum Schutz vor Ungeziefern mit dicker Ölfarbe petrolgrün angemalt. Dies hatte zur Folge, dass die Wände nicht mehr atmen konnten. Mit fatalen Folgen auf der Wetterseite des Hauses. Die Feuchtigkeit konnte kaum mehr aus dem Holz raus und liess das Holz morsch werden. Die Holzfassade "bröckelte", Wände sackten leicht ein und damit auch das ganze Haus bis zum Dachfirn. Ursprünglich besaß das Haus ein Steindach mit alten Walliserplatten. Inzwischen hat es nur noch ein Wellblechdach, die schweren Steinplatten wurden irgendwann abgeworfen. Wir entdeckten, dass die tragenden Balken des Hauses sehr dünn und voller Fehler waren, teilweise noch mit Baumrinde dran. Kurzum, die ganze Statik war mehr improvisiert als solid und würde man nichts unternehmen, läge die Zukunft des Hauses in den Sternen.

Wir verstanden, dass dieses Haus als erstes eine neue, tragende Struktur braucht. Starke Balken, gestärkte Wände, neue Dachbalken. Oben drauf kommt, das war uns schnell klar, wieder ein Dach aus alten Walliser Steinplatten. Das Haus soll wieder eine schöne Ausstrahlung erhalten und seiner Geschichte würdig werden. Uns war auch wichtig, dass die alte, sonnenverbrannte Holzfassade erhalten bleiben soll. Mit dem Zimmermann haben wir entschieden, dass die Wände von Innen mit einem Ständerbau gestärkt werden. 

Christian ist in jeder freien Minute in den Bergen und arbeitet mit.  Er war es zum Beispiel, der diesen Frühling das Fundament neu betoniert hat. Ich bewundere seinen Mut, hat er doch vorher noch nie solche Arbeit gemacht. Er machte sich im Internet schlau, kaufte das Material ein und setzte es um. 





Unglaublich, was diese Tage bei uns in den Bergen gerade geleistet wird. Noch heute werden die Häuser mit Manneskraft gebaut. Ich bin sehr beeindruckt zu sehen, wie zugepackt wird. Wie die neuen, dicken Balken angeschleppt und eingebaut werden. Wie schnell und präzise gearbeitet wird. Ich habe nun eine Vorstellung davon, was die Brüder meines Urgrossvaters, welche dieses Haus vor über Hundert Jahren bauten, geleistet haben. Immer wieder erleben wir, wie Bekannte und Freunde spontan die Lust kriegen, Christian zu unterstützen. In vielen Männern steckt noch die Freude und Befriedigung an der körperlichen Arbeit. Ein Haus bauen. Das ist so archaisch, so ursprünglich, so fundamental. Und diese Sehnsucht, an solch einem Projekt mitzumachen, schlummert in mehr Männern als ich ahnte. Ein Sprichwort sagt: Ein Haus bauen, ein Baum pflanzen, ein Kind zeugen. Das sind die drei Dinge, die ein Mann in seinem Leben tun soll.









Die neuen Balken unten, oben sieht man noch die alten:




Es grüsst euch herzlich, Iren