Freitag, 25. November 2011

Gold-Brownies, Oskar Tiger und die Kunst des Halstuch-Umschlingens

Ich habe für einen lieben Menschen zum Geburtstag ein paar Brownies gemacht und - weil bald Weihnachten ist, sie goldig angesprayt. In der Migros (für die Schweizer Leser) gibt es momentan Lebensmittel-Farbsprays in Silber und Gold. Ich habe all meine Bedenken wegen E-Nummern mal kurz auf die Seite gedrängt und zugegriffen. Es ist bald Weihnachten, da darf es auch mal ein bisschen übertrieben sein, nicht? Und schließlich ist es ja nicht echtes Gold, das man da in den Mund schiebt. Dieser Trend, denn man immer wieder bei Edel-Confiserien sieht, finde ich zynisch. Da wird in kleinster Menge echtes Gold auf die Schokolade etc. gestrichen und als das must-try verkauft. Luxus pur. Zivilisierte Esskultur ad absurdum geführt. Wir essen Gold. Ja, ich gebe zu, ich hab auch schon probiert, ohne viel darüber nachzudenken.

Da finde ich die imitierte Variante mit E-Nummern als Lebensmittelzusatzstoff doch sympathischer. 

(Ich habe darüber kurz mal gegoogelt und fand folgendes bei Wiki:
Eine Zulassung als Lebensmittelzusatzstoff kommt nur in Betracht, wenn seine toxikologische Unbedenklichkeit begründet und bewiesen ist. Es wird die Menge bestimmt, in der in keinem Versuch ein messbarer Effekt auftritt (NOEL). Dieser Wert wird durch einen Sicherheitsfaktor (in der Regel 100) dividiert und so die erlaubte Tagesdosis (ADI) bestimmt. Haben die Zusatzstoffe keinen ADI-Wert, so wurde bei langer Anwendung kein Gesundheitsrisiko festgestellt. Die ADI-Werte werden regelmäßig anhand neuester Testmethoden überprüft. Gesetzliche Höchstwerte werden so festgelegt, dass ein Verbraucher bei üblicher Verzehrmenge die ADI-Werte nicht überschreiten kann.[1] )

Na gut. Ich denke jetzt nicht weiter nach, sondern freue mich über den festlichen Effekt und setze es ganz gezielt ein. Weil bald Weihnachten ist...

The Raw Brownie



Brownies sind eine paradiesische Erfindung, eine Gaumenverführung, der ich kaum widerstehen kann. Nur der Gedanke, wie viel Butter in den meisten Rezepten enthalten ist, lässt mich immer wieder davon ab, öfters ein Brownie zu genießen. Außer ich habe es zuhause selbst gemacht. Kürzlich stieß ich bei meinem Liebslings-Food-Blogger auf ein Brownie-Rezept, dass alles bisherige über den Haufen warf. Ein rohes, ungebackenes Brownie, ohne Butter, Zucker, Eier, Mehl und klassischer Schokolade. Ja, das Bild oben ist genau dieses revolutionäre Brownie! Neugierig geworden? :-) Dann lernt mal Sarah B. kennen, die Frau mit den fantastischen, super gesunden Rezepten, die zudem einen erfrischenden Schreibstil und tolle Bilder hat. Kurz: Don't miss her! - The Raw Brownie from My New Roots Blog.

Wer doch lieber traditionell bleiben will, verrate ich mein butterarmes, schokoreiches Brownie-Rezept, das ich von Christian habe. Es ist auch köstlich...

Mein Brownie

50g Butter 
200g Crémant-Schokolade  >beides in der Pfanne langsam schmelzen

2 Eier
100g Zucker >zusammen gut schlagen und Schoko-Butter-Schmelz zufügen

1 Prise Salz
75g Mehl   > darunter heben


100g Baumnüsse, grob gehackt  > dazu geben

Eine kleinere, eckige Backform (z.B. die für Lasagne) bebuttern und mehlieren und die Teigmasse 2cm dick ausstreichen. Bei 180° ca. 17 Minuten auf der zweituntersten Rille backen. Wenn man es gut durch gebacken haben will, dann etwas länger im Ofen lassen. Diese Zeitangabe passt nur, wenn der Teig ca. 2cm dick ausgestrichen ist. Das ist beim Gelingen sehr wichtig, darauf zu achten. Wenn man ein ganzes Backblech machen möchte, dann muss man die angegebene Menge verdoppeln.


Oskar Tiger

Ich habe letzte Woche spontan ein Kinderbuch gekauft das "Oskar Tiger" heisst. Geschrieben von Dieter Meier von Yellow und illustriert von Franziska Burkhardt. Mit Frankziska Burkhardt war ich in der Schule. Wir haben gemeinsam freiwillig das kleine Latinum im Gymnasium gemacht. Wir haben immer dann, wenn alle Mittagspause oder nachmittags schon frei hatten, noch die Schulbank gedrückt und bei Latein-Übersetzungen uns den Kopf zerbrochen. Sie war immer gut im Latein, ich nicht. Ich war überzeugt, ich werde es nie brauchen später, weil ich sowieso nicht studieren will. Sie wusste es noch nicht so genau. Sie ist Grafikerin geworden und ich habe doch noch studiert und war dann sehr froh, das kleine Latein schon vorher gemacht zu haben... Ich habe Franziska aus den Augen verloren und habe vor lauter "Wiedersehensfreude" das Buch gleich gekauft. Und diese Woche wurde es auch im SchweizerFernsehen bei 10vor10 vorgestellt. Denn Dieter Meier liest das Buch auch auf einer Audio-CD. Pünktlich zu Weihnachten.


Oskar Tiger gefällt mir! Es ist eine originelle Geschichte, natürlich sehr gut illustriert (...) und ich finde toll, dass Dieter Meier sich die Mühe nahm, den ganzen Text in Reimen zu verfassen. Auch wenn die Sprache deswegen stellenweise holprig ist und zwischendurch mal einen Ausdruck auftaucht, den ich meinen kleinen Kindern nicht einfach so kommentarlos vorlese... Aber das ist Dieter Meier, so ganz erzieherisch korrekt zu sein passt nicht zu ihm.

Oskar Tiger kann man bestellen, hier auf Amazon.



25 ways to wrap your scarf

Kennt ihr diese Momente, wo ihr ein schönes Halstuch aus dem Schrank holt und denkt, heute möchte ich es mal anders um meinen Hals wickeln und nicht immer den gleichen langweiligen Knoten machen und dann hat man doch keine neue, gute Idee und landet wieder bei dem, was man schon kennt. Und auf der Straße bewundere ich immer wieder andere Frauen, die ihr Tuch so elegant oder frech oder originell tragen können. Hier kommt Hilfe! Ich habe diesen Video auf einem anderen Blog entdeckt, doch weiß ich leider nicht mehr, welchen es war. Sorry! 

25 ways to wrap your scarf:



Habt ein ruhiges 1. Adventswochenende!

Es grüßt Euch Iren, welche die Koffer bereits gepackt hat, nun kurz kochen muss und dann das Auto belädt, um später Christian vom Büro abzuholen und dann - juhui - Richtung Italien und dann der Küste entlang nach Frankreich zu fahren. Denn die Oliven hängen an den Bäumen und rufen: Pflückt-uns,  pflückt- uns, wir sind alle reif!

Montag, 21. November 2011

Der November neigt sich langsam zu Ende

Nächstes Wochenende ist bereits 1. Adventssonntag und damit ist offiziell Weihnachtszeit. Wir freuen uns darauf! Aber dieses Wochenende noch ganz im Zeichen des Herbstes zu erleben war sehr schön. November. Wir spazierten im Park, genossen das milchige, goldene Licht und die Farben der Natur. Der Herbst ist eine Jahreszeit, die mich fotografier-süchtig macht. Geht das Euch auch so? Wenn ich mich draußen aufhalte, könnte ich die ganze Zeit mit der Linse vor den Augen herum laufen und alle paar Sekunden auf den Auslöser drücken. 














Es ist berauschend, was die Natur momentan präsentiert. Ein Feuerwerk der Farben, bevor dann die Eintönigkeit des Winters herein bricht. (Aber das kümmert uns noch nicht, zuerst kommt die üppig barocke Weihnachtszeit.)


Im Park sind die Kinderherzen richtig aufgegangen. Wie junge Hunde sind die Mädchen herum getollt und haben mit den Blättern, Ästen, Wiesen und Abhängen den schönsten Spielplatz gehabt. Die Sonne schien milchig warm und trotzdem leuchtend - Novemberlicht eben. November hat eine ganz eigen Lichtqualität, die ich sehr liebe.  Zum draußen fotografieren sind es wunderbare, einmalige Lichtverhältnisse. Nicht zu grell wie im Hochsommer, aber goldig leuchtend, mit einer Prise Schleier in der Luft.












Wir waren an einem Novemberwochenende natürlich auch an der Basler Herbstmesse. Ich flog mit den Mädchen zusammen kreischend im Kettenkarussell in den Himmel hinein, schaute bei den Häusern in die obersten Stockwerke und ließ mich im Kreis drehen, bis es mir nicht nur schwindlig, sondern auch etwas schlecht wurde. Meine Augen suchten Zwerg Christian und Zwergenbaby Calista, die unten auf uns warteten und den Kopf im Nacken hatten, damit sie uns zuwinken konnten. 





Riesenrad gehört auch immer dazu. Bei dieser Übersicht über die Stadt macht es jedes Mal aahhh und oohhh! Die Kinder fischten Entchen, wie immer, und freuten sich über den billigen Kitsch aus China, den sie als Preis erhielten. 



Wir ließen uns rosa Zuckerwatten drehen, haben glänzende Delfin-Ballone ausgesucht, die in der Luft schwimmen und mit leichtem Schauder die gruselige Fassade der Geisterbahn bestaunt. 


Glücklich haben wir Calista zugeschaut, wie sie in ihrem Zug-Wägelchen am Steuer fuhr. Wir haben sie dabei nie aus den Augen gelassen, weil sie so süß lachte und riesigen Spaß dabei hatte. 


Um die "Putsch-Autos" haben wir auch gekämpft, sind losgerannt sobald eine Runde fertig war und enttäuscht wieder an den Rand zurück geeilt, wenn es wieder einmal nicht geklappt hat und andere schneller waren. 



Eine Frau und einen Mann lieferten sich beinahe eine Rauferei - so ernst kann es plötzlich werden. Wie beim Ponyreiten...



So eine Herbstmesse ist immer auch eine Gratwanderung. Wie viel Menschenmenge, Bling-Bling, Lichter, Musik, drehende Bahnen, verlockende Marktstände und Kälte können wir den Kindern wie lange zumuten? Da braucht es manchmal ein klares Gefühl und eine rasche Entscheidung, um noch vor dem großen Zusammenbruch bereits wieder im Auto zu sitzen und den Heimweg anzutreten.

Am Sonntag haben wir die Halloween-Weingläser noch einmal benutzt, diese Woche werde ich sie wieder neutral putzen. Ich nehme sie nicht mehr in die Adventszeit mit. Es gehört zum November-Abschiedsritual. Aber ein paar Tage haben wir noch. Es war ein wunderschöner November!

x iren











Mittwoch, 16. November 2011

Ich mag Straßenkunst

Gerade hab ich das Wort Straßenkunst geschrieben, da fällt mir auf, dass ich schon lange keine Straßenkünstler mehr gesehen habe. Woran liegt das, ist es vielleicht per Gesetzt nicht mehr erlaubt? Den Politikern würde ich das zutrauen. Vielleicht liegt es auch an mir, dass ich immer zur falschen Zeit am falschen Ort war.
Wie dem auch sei, habe ich immer so in etwa die gleichen Bilder im Kopf, wenn ich an Strassenkunst denke. Kürzlich bin ich über diesen Video gestolpert und war ganz fasziniert davon. Schaut Euch dieses Trompe-l'Oeil von Edgar Müller an! Ich liiieeebe Trompe-l'Oeil's und meistens sieht man sie in Kirchen, an Häuserfassaden und in Schlössern. Aber so, flach auf dem Boden und derart den Fußgänger irritierend, habe ich es noch nie gesehen. Jetzt guckt mal:


Als ich mich ein bisschen im Internet herum schaute, bemerkte ich, dass mir da etwas entgangen ist bisher. Ist Euch schon mal solche: Straßenkunst begegnet? Ich kriege das Gefühl, dass bestimmt alle so was schon mal gesehen haben, nur ich nicht. Als seien die Straßen voll davon, aber nur die, welche ich nicht gehe... Also, das wünsche ich mir nun - ich möchte das gerne mal richtig sehen, auf dem Boden. Mich irritieren lassen, täuschen lassen von lediglich geschickt angebrachter Farbe. Wie faszinierend!


Die amerikanische Künstlerin und Illustratorin Mia Nolting brauchte Geld um ihr Kunststudium abzuzahlen und veranstaltete eine Aktion, wo sie für 1$ einen Namen nach Wunsch mit Kreide auf den Boden malte. Nach ca. zwei Wochen bekam man dann eine Fotografie davon per Mail zugeschickt. Ich fand die Idee sehr originell und machte mit und ließ sie nebst "Fairy Bread" auch die Namen unserer Mädchen schreiben.

Ok, es ist nicht ganz Straßenkunst im engeren Sinne. Aber die ganze Aktion als Performance zu sehen ist Kunst. Denn bei mir löste es Gedanken und Fragen aus. Wo genau hat die Künstlerin die Namen auf den Boden geschrieben? Welche andere Namen standen daneben? Wie lange blieben sie dort? Wer hat es alles gelesen? Wann hat der Regen sie wieder weggeschwemmt? Mary Poppins kommt mir da in den Sinn. Die sind ja auch in ein Straßenbild ab getaucht, bis ein Platzregen es wieder verwischte. 
Das finde ich schön an Straßenkreide, dass es vergänglich ist. Und je nach Wetterlage halten die Werke länger oder kürzer. Und je nach Jahreszeit sieht man mehr oder weniger oder gar keine mehr. Winterpause.

Thalia's roter Ballon


Ich muss nun ins Bett, habe seit Tagen Hals- und Ohrenschmerzen, wie die Kinder. Und bald wollen wir nach Frankreich an die Olivenernte fahren, da müssen wir wieder fit sein!

x iren.



Freitag, 11. November 2011

Ein goldenes Blätterbad

Calista badet sehr gerne. Bisher aber nur mit Wasser. Manchmal auch mit Schaum. Ich achte dabei immer auf natürliche Badezusätze.


Heute bekam sie ein Bad ohne Wasser, nur mit Badezusatz, auch ein natürlicher, natürlich.


Es war ihr erstes Blätterbad - und es war goldig!



Ich entdeckte den Haufen zusammengewischter Blätter, als ich Thalia früh morgens in den Kindergarten begleitete. 


So eine Versuchung... der konnte ich nicht widerstehen. Ich eilte nach Hause und packte Calista warm ein, der Morgen war kalt. In mir hüpfte das innere Kind mit Calista auf dem Arm an den Ort zurück. Und hoffte, dass kein Gärtner oder Strassenpfleger in der Zwischenzeit die Blätter bereits weggeräumt hat.



Es war alles noch genau so verlockend wie vor wenigen Minuten. Ich setzte Calista mitten in den Blätterhaufen und schaute sie erwartungsvoll lachend an. Sie guckte zuerst ein bisschen erstaunt und wusste nicht so recht, was sie jetzt machen soll, was ich nun von ihr erwarte.


Da packte ich eine handvoll Blätter und liess sie in die Luft wirbeln. Calista strahlte. Ich wiederholte es und sie schaute freudig den Blättern zu, wie sie wieder langsam herunter gleiteten.




Nun wurde sie auch aktiv und griff in die Blätter und hielt sie hoch in die Luft. Sie drehte sich, stand auf, versuchte zu gehen und lachte, wenn sie seitwärts in die weichen Blätter sank.







Herbstblätter sind nicht nur weich, sie riechen so gut...





Calista lachte und gluckste, griff in die Blätter, schob sie sich in den Mund, wirbelte sie in die Luft. Suchte ihre vergrabenen Füsse, raschelte wie ein Mäuschen, bewegte die Beine hin und her und verlor einen Schuh in der Blättermenge. Sie stand auf, plumpste wieder hin und legte sich in die Blätter, guckte in den Himmel und war glücklich. Wie schön ist so ein goldenes Blätterbad, wie genussvoll ist doch der Hebst!


Als ich zwei Stunden später Thalia vom Kindergarten wieder abholte, waren die Blätter weg. Schade, ich hätte ihr diesen Spass auch gegönnt - wie hätte sie gejuchzt!


Dafür habe ich vor ein paar Wochen Thalia ein tolles Bilderbuch gekauft. Anton und die Blätter heisst es, von Ole Könnecke. Ich war sofort angetan von der reduzierten Bildsprache und dem schlichten Text. Die Geschichte selbst ist kurz und witzig, mit viel Raum für eigene Gedanken, auf für Erwachsenen. Ich kann es wärmstens empfehlen.



Geniesst ein schönes Wochenende,
kisses, iren






Donnerstag, 10. November 2011

Aufgeklärt

Ich wusste es schon seit ein paar Wochen, gar Monaten. Cosima will es langsam wissen. Und zwar genauer. Ein Mann und eine Frau müssen sich einfach fest gern haben. Konnte ich ihr nicht mehr zur Antwort geben. 

Detail von der Skupltur "Irreducible Complexity" von Andrea Hasler

Vor ein paar Monaten, wir saßen beim Mittagessen, da sagte Cosima plötzlich: A. will mit G. Sex haben. A. und G. sind zwei Mitschüler und gerade mal etwa sieben Jahre alt. Ich vergaß das Kauen und sagte: Was?! Cosima wiederholte ruhig: A. will mit G. Sex haben. Ich: Hat er das so gesagt? - Ja, Mami. Ich: Er will Sex haben? Was ist denn Sex, was meint er damit? - Ich weiß auch nicht Mami. Sag, was ist Sex? Ich: Ich denke, er will sie einfach küssen, oder? - Ja, das denke ich auch.

Und wir aßen weiter.

Vor zwei Wochen sind wir von der Geigenstunde nach Hause geradelt. Ich mit dem Velowagen, worin Thalia und Calista sassen, neben mir fuhr Cosima auf ihrem eigenen Fahrrad. Wir befanden uns auf dem Fahrradweg, neben uns Feierabendverkehr. Es begann schon einzudunkeln und unsere Finger waren klamm vom kühlen Fahrtwind. Cosima rief plötzlich zu mir rüber: Mami, ich weiss jetzt was "fick-dich" heisst! - "Fick-dich"? Was heißt es denn? Cosima stolz: Es heisst: sex-dich! Ich musste innerlich los prusten. - Sex-dich? Was meinst Du damit? rief ich ihr zu. Cosima belustig: Ja, einfach sex-dich! Ich weiss auch nicht so genau. Was ist eigentlich Sex, Mami?
Die Lichter der Autos kamen uns entgegen, ein Bus überholte uns, es war laut. Und Cosima will genau jetzt wissen, was Sex ist. Tja, ich kann ihr ja nicht einfach rüber rufen, dass es ein Haarshampoo ist. Ich kann Dir gerne erklären was Sex ist, Cosima! schrie ich ihr zu. Aber nicht jetzt!

Noch einmal davon gekommen. Zuhause war das Thema dann vergessen. Ich wusste aber, dass ist nur eine Frage der Zeit. Sie geht nun in die zweite Klasse und langsam ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich ihr mehr darüber erzählen muss. Sie hört vieles in der Schule, sie macht sich Gedanken dazu und sie will es wissen. Ich wartete aber einfach mal ab.

Heute Mittag kam sie von der Schule nach Hause und packte ein Buch aus der Bibliothek aus. Sie zeigte es zuerst Christian (der ausnahmsweise fürs Mittagessen da war) und er wendete sich verunsichert an mich: Schau mal, ist das altersgerecht? Ich lese den Titel: "Woher die kleinen Kinder kommen". Ja, das ist altersgerecht! Schönes Buch, Cosima. Ich werde es Dir heute Nachmittag erzählen.

Nun war der Zeitpunkt da, von ihr bestimmt. Sie will wissen, woher die Kinder kommen, d.h. wie sie gemacht werden. Und ich war froh, dass sie ein Buch mitgebracht hat, weil so hatte ich etwas in der Hand. 

Während Thalia am Nachmittag ihre Akrobatikstunde hatte und ich mit Cosima draußen wartete, nahm ich das Buch zur Hand und begann, mit ihr die Bilder anzuschauen und vorzulesen. Ich war dankbar, einen gedruckten Text vor mir zu haben, der extra für Kinder geschrieben war - d.h. pädagogisch korrekt. Ich brauchte nicht selbst nach Worten zu ringen, denn alles stand ja im Buch. Nach einigen Sätzen aber fand ich es total langweilig und ich begann, das geschriebene zu kommentieren und fand immer mehr zu meinen eigenen Worten, zu meiner eigenen Sprache. Ich erklärte dann ganz unabhängig vom Text wie das so geht, mit dem Kinder machen. Sie kicherte zwischendurch mal und ich auch, denn ich habe es recht humorvoll erklärt. Vor allem der Gedanke, dass sie auch schon Eier im Bauch hat, die aber noch nicht reif sind, fand sie recht befremdlich und lustig zugleich. Als ich ihr dann erklärte, wie der Samen zum Ei kommt, schaute sie mich mit neugierig funkelnden Äuglein an und fragte prompt: Und? Hast Du das mit Papa auch gemacht? - Ja, klar. - Aber ich habe das noch nie gesehen!! ruft sie empört. Ich: Nein, das hast Du noch nie gesehen. Das ist eben unsere Intimsphäre. - Aber ich will es sehen! - Das ist nur etwas zwischen Papa und mir, Cosima. Da kannst Du nicht einfach zugucken. - Aber wann macht ihr denn das? Warum habe ich das noch nie gesehen? fragt sie ganz verwundert. Ich schmunzle: Nachts, wenn Du schläfst. - Ach, darum! Darum habe ich es noch nie gesehen. Aber ich möchte es gerne einmal sehen... - Nein, das geht nicht. Wenn Du mal groß bist und einen Mann liebst, dann kannst Du das selber machen.

Die Zeit war um und Cosima musste sich umziehen für ihre Akrobatikstunde. Sie war ganz belebt von unserem Gespräch und ich war auch zufrieden. Es war witzig und sie hat es gut aufgenommen. Im Geiste sah ich schon, wie sie nun jeden Morgen zu uns ins Zimmer kommt und fragt, was wir in der Nacht gemacht haben. - Du musst jetzt aber nicht meinen, fügte ich noch an, dass wir das jede Nacht machen...

Dieses Schlusswort musste noch sein.





Es grüßt Iren, die nur darauf wartet, dass Cosima morgens zu uns ins Zimmer stürmt

Montag, 7. November 2011

... über den Rand hinaus.


Auch ich muss noch was über ihn schreiben, obwohl es inzwischen schon wieder Schnee von gestern ist und die Journalisten sich wieder um andere Themen kümmern. Aber es geht mir eigentlich nicht um ihn.
Ja, der Tod von Steve Jobs hat die ganze Welt beschäftigt und man konnte überall viel über ihn lesen und erfahren. Dabei hat mich vor allem einen Satz zum Denken angeregt. In einigen Artikeln wurde erwähnt, dass er Bill Gates als einen unkreativen Menschen ohne Vorstellungskraft bezeichnete, der nie selbst etwas Neues erschaffen habe. Sein Zitat über Gates:

“He’d be a broader guy if he had dropped acid once or gone off to an ashram when he was younger.” 

Ich überlegte mir immer wieder, ob es solche grenzüberschreitende Erfahrungen wie z.B. LSD oder Extrem-Meditation braucht, um Großes hervor zu bringen. Ich habe noch nie LSD genommen und kann da nicht mit reden. Doch ich als Mutter, die mit kleinen, selbstverständlich-Grenzen-überschreitenden Kobolden zusammen lebe, sehe tagtäglich, dass es keine Pillen braucht, um einen erweiterten Horizont zu haben. Eigentlich ist es in der Grundzusammensetzung des Menschen schon angelegt. Unsere Kinder denken, fühlen und handeln unlimitiert. Ihre Phantasie und Träume der Machbarkeit sind grenzenlos, alles ist möglich. Es sind immer wir Erwachsenen, die sie einschränken, "herunter holen" und sie zügeln. Es sind wir, die verzweifelt versuchen, ihre Wildheit zu bändigen. Diese tägliche Anstrengung, den menschlichen Nachwuchs zu zivilisieren. 

Ich empfinde dies als eine permanente Gratwanderung. Denn ich möchte meine Kinder so wenig einschränken wie möglich, doch trotzdem so viel wie nötig. Ich möchte ihnen nicht dauernd Grenzen setzen, aus Angst, es könnte mir etwas außer Kontrolle kommen und dabei wunderbare Ideen im Keim ersticken. Gleichzeitig lege ich in meiner Erziehung viel Wert darauf, dass die Kinder Mitgefühl und Respekt für sich und alle Mit-Lebenden entwickeln, dass sie Verantwortung übernehmen können. Sowohl für den Menschen, wie Tier und Natur. Ich achte darauf, wie sie mit ihrer Umwelt umgehen und versuche, selbst ein gutes Vorbild zu sein. 
Doch wenn meine Nerven es zulassen, dann gebe ich möglichst wenig Einhalt, wenn ich merke, dass die Kinder in ihrem kreativen Spiel-Flow sind. Auch wenn die Wohnung dabei auf den Kopf gestellt wird, wenn es schmutzig und unordentlich wird. Ich bin selbst jemand, die leicht Chaos veranstaltet, wenn ich kreativ werde. Dann bin ich meistens wie in einem Fieber und alles um mich herum wird nebensächlich. Und dieses Fieber, dieses Feuer, egal in welcher Ausdrucksform, finde ich sehr wichtig, es darf nicht mit unnötigen, gesellschaftlichen Auflagen erstickt werden.

Auch bin ich eine Anhängering von Langeweile. Ich finde Langeweile wichtig und meistens braucht es sie, bevor eine zündende Idee kommt. Wenn meine Kinder zwischendurch mal über Langeweile klagen, dann muss ich auch den Impuls unterdrücken, den TV an zuschalten. Anstelle sage ich ihnen dann, dass ich das super fände. Ich finde es super, dass es ihnen langweilig ist. Sie schauen mich dann entgeistert an und finden meinen Kommentar nicht so lustig, aber es dauert nie lange, und schon springen sie wieder in eine neue Idee. So sind die Kinder. Sie sprühen vor Kreativität, wenn man sie nicht dauernd einschränkt. Achtung, reiss dich zusammen, pass auf, mach dich nicht schmutzig, mach dich nicht nass, sei vorsichtig, so geht das nicht, mach es doch lieber so, etc. So oft werden schon ganz kleine Kinder aus ihrer versunkenen Tätigkeit heraus gerissen, weil wir dauernd auf irgend eine Art kontrollieren oder uns einbringen wollen. Anstatt sie selber ihre Denkprozesse machen zu lassen, ihnen ihre eigenen Fehler oder Irrtümer zu gönnen. 
Ich glaube wirklich, dass wir aufpassen müssen, dass die Erziehung nicht zuviele kreative Keime erstickt. Damit meine ich auch kreatives, grenzüberschreitendes Denken. Denn es braucht kein LSD, um Menschen kreativ zu machen, sondern um ihre Kreativität wieder frei zu legen. Es liegt in uns, wir sind alle als kreative Wesen geboren, grenzenlos. Aber wir leben im Spannungsfeld mit der Umwelt, mit der Gesellschaft. Die haben auch ihre Gesetze. - Ein spannendes Thema, über das ich immer wieder mal nachdenke.

Vor vielen Jahren habe ich einmal eine Kurzgeschichte gelesen, die mir öfters in den Sinn kommt. Vor allem seit ich meine Kinder habe, werde ich regelmässig an diese Geschichte erinnert. Ich schaue Calista zu, wie sie malt und muss schmunzeln.



Über den Rand hinaus. 

Darf ich Euch die Geschichte erzählen? Sie geht wirklich ganz kurz:

Der Große Denker von Martin Hamburger

Einem großen Denker wurde erst spät die verdiente Ehre zuteil. Man überreichte ihm einen namhaften Preis, und das Radio lud ihn zu einem Interview ein. "Wie", fragte der Moderator den großen Denker, "sind Sie ein großer Denker geworden?" Der große Denker antwortete: "Als Kind schrieb ich in der Schule immer über den Rand hinaus. Mir machte das Spaß. Die Lehrer fanden das jedoch überhaupt nicht lustig und bestraften mich, indem sie jede Seite, auf der ich über den Rand geschrieben hatte, zerrissen. Das ärgerte mich, und eines Tages weigerte ich mich weiterzuschreiben. Ich schrieb keine Zeile mehr. Statt dessen dachte ich nach." "Vielen Dank für das lehrreiche Gespräch", sagte der Moderator erfreut und schaltete das Mikrofon aus. - "Das heißt", fügte der große Denker hinzu, während das nächste Musikstück über den Sender lief, "ich dachte natürlich über den Rand hinaus."

Über den Rand hinaus. Grenzenlos. Bei den Kindern geht wirklich vieles über den Rand hinaus, in vielerlei Hinsicht, und ich habe mir vorgenommen, nicht dauernd zu korrigieren und zu kritisieren. Denn ich glaube, die Kinder lernen von alleine, was nicht mehr über den Rand hinaus sollte, sobald sie dazu bereit sind. 


Und gleichzeitig ist es ja genau das, was die Welt verändert. Der Status quo der Welt kann nur überwunden werden, wenn wir über den Rand hinaus kommen und vorgegebene Strukturen verlassen.

Da können wir mit der Kindererziehung sicher einen wichtigen Beitrag leisten. Denn von Bill Gates weiss man, dass er in sehr guten, geordneten Verhältnissen aufwuchs und schon früh von den Eltern gefördert wurde. Aber wahrscheinlich war es ihm zu wenig oft langweilig.

Habt eine schöne Woche!
x iren.