Samstag, 26. Februar 2011

Fairy Bread

Eine Freundin fragte mich, warum ich den Blog "Fairy Bread" und weshalb nicht "Fairy Cake" nenne.


"Fairy Bread" mit Zuckerperlen kennt man vor allem in Australien für Kindergeburtstage. Aber wer erinnert sich nicht an das Zuckerbrot von früher, wo man sich eine Scheibe Ruchbrot nahm, dick mit Butter bestrich und dann so viel Zucker darauf streute, dass alles rings herum auch gleich voll war? Und den Zucker gut andrückte um dann vorsichtig und herzhaft ins Brot zu beissen?


Ich mag das Brot. Es ist unser Alltag, es nährt uns, es ist ein Grundnahrungsmittel. Was man sich aber aufs Brot streicht, was man aus seinem Alltag macht, das macht das Leben aus, nicht?

Viele Stimmen

Ein Kind mit speziellen Bedürfnissen in seinen Armen zu halten und sein eigenes zu nennen löst einen tiefgreifenden Prozess aus. Plötzlich werden Gefühle, Ängste, Glaubenssätze und Stimmen wach, die man vorher in dieser Intensität nicht kannte.

Wir hielten unser Baby in unseren Armen und liebten es aus tiefem Herzen von der ersten Minute an. Sie gehörte zu uns und ich spürte auch gleich - sie passt zu uns. Sie macht unsere Familie komplett. Sie ist das schönste Geschenk des Himmels.

Aber gleichzeitig haben wir ein anderes Kind erwartet, von dem wir uns auch verabschieden mussten, das mit der Geburt von Calista "gestorben" ist. Ein Kind, das die gesellschaftlichen Normen erfüllt, das "gesund", "schön" und "intelligent" ist. Weil es die vermeintlich besten Voraussetzungen für ein glückliches, erfülltes Leben sind. Ich ging neun Monate schwanger in der Erwartung einer dritten Tochter, die sich nur vom Charakter und Aussehen von den anderen Schwestern unterscheidet. Wir freuten uns darauf, malten Luftschlösser und stellten uns vor, wie es dann sein wird.
Und plötzlich ist es anders. Wir haben ein Kind bekommen, das sich kaum jemand wünscht. - Ja, auch wir hätten Down Syndrom nicht auf der Wunschliste angekreuzt, doch wir haben Down Syndrom auch nicht abgelehnt. Wir wollten dem Leben gegenüber offen bleiben. 

Und nun kamen trotzdem die Gedanken "Warum wir?", "Haben wir etwas falsch gemacht?", "Steht uns ein 'normales' Kind nicht zu?". Es sind kirchliche Stimmen, die Antworten auf "Strafe", "Sühne" oder "Busse" suchen. Natürlich ist das alles Unsinn, doch es ist immer noch unbewusst in unserer Kultur verankert. 
Es kamen Gedanken wie: "Wir gehören nicht mehr dazu", "Wir sind selber schuld", "Wie reagieren die Anderen?", "Müssen wir etwas Lernen?". Es sind gesellschaftliche Stimmen, gesellschaftliche Werte in denen wir leben. 
Auch Stimmen der Angst und der Sorge waren da. "Wie werden wir nun weiter leben?", "Können wir immer noch unbeschwert und glücklich sein?", "Muss ich meine Bedürfnisse nun immer stark zurück stecken?" "Wie betrifft es die anderen Familienmitglieder?", "Wird Calista ein glückliches Leben führen können?"

Viele verschiedene Stimmen steckten anfangs in mir drin und je nach Tagesverfassung, je nachdem was sonst gerade passierte, je nach Stimmung wurde die eine oder andere mal stärker. Ich war dann traurig, deprimiert oder einfach schwach. Ich hörte mir die Stimme an, immer wissend, dass es nichts mit meinem süssen Mädchen zu tun hat. Die Liebe zu ihr ist für mich unantastbar. Es hatte nur mit mir zu tun und ich trug es still in mir aus.
Einige Stimmen verstummten ganz oder wurden sehr leise, andere kommen manchmal noch. Denn die Gedanken um die Zukunft sind oft da, mal stärker, mal schwächer. - Ich möchte Calista später nicht einfach so in ein Heim oder Werkstätte geben, ich wünsche mir für sie ein möglichst selbstbestimmtes Leben mit den Menschen, die sie sich so weit wie möglich selbst aussuchen kann
Ich mache mir auch viele Gedanken zur Gesellschaft und ihren Werten und warum Menschen mit speziellen Bedürfnissen zuerst immer als Unglück gelten, warum wir immer noch in solchen Wertmaßstäben leben. Ich lebe in dieser Gesellschaft und habe ihre Werte auch verinnerlicht. Deshalb passiert viel in mir drin... Ich muss mich all diesen Stimmen stellen, ich muss sie anhören, denn ich will mich gleichzeitig auch von ihnen lösen. Kann ich mich jemals ganz davon befreien? Ich weiss es nicht. Ich strebe es an.


Es waren aber auch von Anfang an die Stimmen der Dankbarkeit, der Freude und des Stolzes da. Wir haben ein spezielles Kind bekommen, ein Kind das uns eine neue Welt eröffnet und uns auf eine Reise mitnimmt, die wir ohne sie nie machen würden.


Aber das beste Gegenmittel in diesen Momenten von Trauer, von Unsicherheit und Betrübtheit ist für mich immer, den Blick auf die Gegenwart zu richten: Calista anzuschauen, sie zu halten, an meine Brust zu drücken. Sie hat eine so liebliche Ausstrahlung, ist zufrieden und strahlt mich so herzlich und unbefangen an. Worüber soll ich mich sorgen? Der Moment ist perfekt, alles stimmt. Ich liebe Calista.



Mittwoch, 23. Februar 2011

Schneefrauen

Unsere Winterferien dauern noch diese Woche und Thalia mag nicht mehr so viel skifahren. Heute war wieder einmal strahlendes Wetter und wir gingen in den Garten, um einen Schneemann zu versuchen. Wir rollten die Schneekugeln - stark wie die Pippi Langstrumpf - und hievten sie über einander und klopften sie gut an. Dann kam das Gesicht an die Reihe. Die Steine wurden kräftig in den Schnee gedrückt und die Freude war gross, wenn sie hielten. Und jetzt noch die orange Nase!


Aber die wollte einfach nicht halten, auch mit aller Mädchenkraft nicht!


Als ich zufrieden die weisse Skulptur anguckte und sagte, schau mal Thalia, was für ein schöner, stolzer Schneemann! Meinte sie, nein Mama, das ist eine Schneefrau, du musst ihr noch Busen machen...


Fürs Foto bekam die Schneefrau ein paar zarte, frierende Hände...



Thalia rollte im Eifer noch weitere Kugeln und klebte sie der Schneefrau an den Hintern, damit sie einen schönen Popo bekam.



Bevor sie Sonne hinter den Bergen wieder verschwunden war, rannte Thalia in den Strumpfhosen nochmals raus, kniete sich in den Schnee und wirbelte ihn jauchzend in die Höhe: "Ich bin die Pippi Langstrumpf, tralali, tralala tralahopsasa!" - Nun komm, du Schneefrau, sonst erkältest du dich noch!



Montag, 21. Februar 2011

Wir haben von unseren Skiferien eine kurze Pause eingelegt und die Kinder durften in Zürich das Pippi Langstrumpf Theater schauen.

In den Bergen hat es angefangen zu schneien, wie wir aber ins Tal kamen, verwandelte der Schnee sich in Regen. Es war kein schönes Winterwetter mehr, sondern feuchtkalt und grau. Christian hat eine CD eingelegt und wir hörten Musik von 'The Killers'. 

"Papi, bitte Nummer fünf!". Nummer fünf ist das Lied 'Human' und Cosima liebt es. Ich lehne mich zurück, müde von der anstrengenden Nacht mit Calista, die erkältet ist. Das Auto füllt sich mit Musik und Gesang, sie singen mit. Im linken Ohr höre ich die sonore Männerstimme von Christian und im rechten Ohr von hinten klingt Cosimas klare Mädchenstimme: "Close your eyes, clear your heart..." Ich blinzle hinter halben Lidern hervor, neblige Landschaft vor mir, rhythmisch unterbrochen von den Scheibenwischern. Die Regentropfen klopfen zu tausendfach fein auf die Windschutzscheibe. Alles fließt ineinander, Harmonie breitet sich aus und es war so schön, dass mein Herz vor Glück hätte weinen können. Einfach so. Ein kurzer Moment eigener Intensität und Schönheit. Und dann war er wieder vorbei; die  Schönheit eines Augenblicks. 

Doch ich habe ihn erhascht.

Samstag, 19. Februar 2011

"Ich mache einen Plan."

Die erste Nacht zu hause lag Calista die ganze Nacht in meinem Bett in meinen Armen. Ich umarmte sie und ließ sie nicht mehr los. Ihren Atem in meinem Ohr, ihre Wärme stets spürbar, Herz auf Herz. Ich brauchte das und ich glaube, sie auch.

Die Verantwortung für ihr gesundheitliches Wohlbefinden, das zeitliche Einhalten der verschiedenen Medikamenteneinnahmen, das Abpumpen, Aufbereiten und Sondieren der Milch, das Beobachten ihres Allgemeinzustandes bezüglich Herzinsuffizienz etc. war schon drückend. Auch standen immer wieder Arzttermine an, um die Gewichtszunahme zu kontrollieren und um das Herz weiter zu beobachten. Doch ich war trotz dieser Last sehr erleichtert. Ich konnte das alles gut bewältigen, weil Calista bei mir war, es gab keine Trennung mehr.


Cosima und Thalia schlossen ihre kleine Schwester sofort fest in ihr Herz, auch wenn sie sehr viel Aufmerksamkeit von uns Eltern für sich erhielt. Sie war ihr Liebling, ihr Baby, ihren Stolz.
Wir ließen noch ca. zwei Wochen verstreichen, bis Calista ihren Platz in unserer Familie gefunden und sich alles wieder ein bisschen normalisiert hatte. Dann war für mich der Zeitpunkt gekommen, den Großen zu erzählen, dass Calista nicht nur einen Herzfehler hat. 
Ich erwähnte das bewusst eher beiläufig, wir sprachen gerade über dies und das und Cosima erzählte, was sie später mal mit Calista alles unternehmen wolle. Da sagte ich ihr, dass sie mit ihr dann etwas mehr Geduld haben müsse, dass Calista die Dinge alle ein bisschen langsamer lernen werde, weil sie Trisomie habe. Sie fragte, was das denn sei, Trisomie. Ich erklärte es ihr so, wie ich es einst im Biologieunterricht gelernt habe. Ich erzählte von den Genen und ihren Informationen über uns, von den Chromosomen und dass Calista ein Chromosom mehr habe als wir. Ich weiß nicht, was Cosima verstand, aber Hand aufs Herz, was verstehe ich schon wirklich davon?! Es ist für mich auch alles nur Theorie und ziemlich abstrakt... Sie war auf jeden Fall zufrieden mit dieser Antwort und schien sich einen Reim auf das Ganze machen zu können. Thalia saß die ganze Zeit zu meinen Füßen auf dem Boden und hörte nur mit einem Ohr zu, ihr war diese Geschichte nicht so wichtig. Calista ist Calista und sie streckt zur Thalias Belustigung ein bisschen viel die Zunge raus. Aber sie darf das ja, sie ist ja noch ein Baby!
Und Cosima packte 'das Problem' gleich an: Gut Mami, dann helfe ich Calista mit dem Laufen lernen. Und ich werde, wenn sie vier ist, mit dem Lesen lernen anfangen. Ich mache dann einen Plan, jede Woche einen Buchstaben. Ist das gut, Mami? - Ja, das finde ich toll!
Am einen Abend darf Calista bei Thalia einschlafen,

und am anderen bei Cosima, immer abwechslungsweise.
Cosima wollte auch wissen, ob Calista denn behindert sei. - Ich mag dieses Wort überhaupt nicht, doch ich sagte: Ja, ein bisschen. Aber viele Menschen sind behindert, stärker oder schwächer, sichtbarer oder unsichtbarer, kurzfristig oder langfristig, fügte ich an. Alle, die eine Brille haben, sind sehbehindert. Alle, die im Rollstuhl sind, oder eine Krücke oder Stock brauchen, sind gehbehindert. Wenn man nicht gut oder gar nicht hören kann ist man im Ohr behindert. Dann gibt es die Behinderung im Gehirn, und die Behinderung im Herz. Die sieht man am Schlechtesten. Calista wird im Hirn leicht behindert sein, dafür ist sie stark im Herzen. Du wirst sehen.

Ach, wie ist mir dieses Wort "behindert" auf einmal verhasst geworden! Plötzlich erhielt es eine ganz andere Bedeutung für mich. Nicht mehr nur ein leeres Wort, nein, ein ganzes Leben soll sich darin abspielen. Ich sträube mich dagegen.

Am zweiten Tag nach Calistas Geburt ist auf mein Zimmer in der Wochenbettstation eine Sozialarbeiterin gekommen. Sie wollte sich mit mir unterhalten und eröffnete das Gespräch mit den Worten: Sie haben ja jetzt ein behindertes Kind. Ich starrte sie verdutzt an und dachte: Was fällt dieser wildfremden Person eigentlich ein, mein kleines, unschuldiges Baby mit einem solchen Wort zu klassifizieren! Ich wollte sie gleich zur Tür komplementieren, doch versuchte ich gleichzeitig, höflich zu bleiben. Nach fünf Minuten schaffte ich es dann, dass sie wieder draußen war. Ich brauche jetzt niemanden, der mein Baby so betitelt. Ich will mein Seelchen, dass soeben zur Erde gekommen ist, noch nicht mit einer solchen Brille betrachten.

In der Zeit der political correctness und dem Antirassismusgesetz muss man genau aufpassen, wie man andere Menschen aus anderen Kulturen bezeichnet. Ich finde das richtig und gut so. Aber warum um Himmels willen wird immer noch eine Gruppe von Menschen mit ganz unterschiedlichen Vorraussetzungen als Behinderte bezeichnet und damit in einen Topf geworfen? Somit an den Rand gestellt und abgestempelt? Warum ist dieses Wort immer noch offiziell so im Gebrauch? 

Man darf Menschen mit Down Syndrom umgangsprachlich nicht mehr "Mongoloide" nennen, weil sich die mongolische Regierung dagegen gewehrt hat. Das ist politisch nicht korrekt. Aber das Volk der "Behinderten" lebt ungehindert weiter. Wehrt sich niemand dagegen? Welche Regierung setzt sich dafür ein, dass endlich ein neuer Begriff eingeführt wird?

Calista hat Trisomie 21, ist aber in meinem Augen noch nicht behindert. Und vor allem ist sie nicht einfach eine Behinderte. Sie ist viel mehr. Sie ist ein ganzer Mensch. 

Sie liegt nun hier, auf meinem Schoss, und schläft. Ihr Atem röchelt manchmal etwas, weil sie erkältet ist. Sie ist ganz eng bei mir, ihren Kopf auf meinem Bauch. Ihr Körper wärmt mich wie ein Öfchen. - Meine kleine Süße, ich wünsche mir, dass du in deinem Leben ganz vielen Menschen begegnen wirst, die dich als gleichwertig annehmen werden. Die deine Stärken sehen und anerkennen und du deine Gabe leben kannst.


Freitag, 18. Februar 2011

Bruno Mars - Just the Way You Are (Cover by MattyBRaps ft. Tyler Ward)

Cosima und Thalia lieben diesen Videoclip und wollen ihn immer wieder sehen. Auch Calista schaut und hört ganz gebannt zu. Sie liebt Musik. "Mama, ich will ihn wieder schauen, aber in gross, bitte!" - "Ja Thalia, bin gleich soweit." Und Thalia trällert vor sich hin: her eyes, her eyes...

Der Spitalaufenthalt - mein Wochenbett

Ich werde nie vergessen, wie mich Sophia ins Spital fuhr. Im Dunkeln fanden wir die Beschilderung nicht und kamen von hinten zum Gebäude. Es gab keine Strasse, nur einen Fussweg. Nach kurzem Zögern bog Sophia mit dem Auto in diesen Fussweg ein. Zuerst wurde es uns etwas bange, dann mussten wir lachen. Es war zu komisch, diese ganze Situation. Und irgendwie so passend. Wir nahmen nicht die abgefahrene Strasse, sondern kamen vom offiziellen Weg ab.

Aus der Geborgenheit einer Heimgeburt traten wir ins Neonlicht. Die Schiebetür ging auf und die Spitalluft wehte uns entgegen. Lange, nackte Korridore, grosse Bettenlifte, Untersuchungszimmer. Beklommen legte ich Calista auf den Wickeltisch, damit sie von einer jungen Ärztin genauer angeschaut werden konnte. Sie schwieg. Sie sagte, sie könne nichts sagen, sie müsse eine Blutentnahme machen. Sophia ging, Christian kam. Calista wurde auf die Neonatologie gebracht. Mit vielen Kabeln haben sie Calista an die Monitoren angeschlossen, damit ihre Atmung und die Sauerstoffsättigung permanent kontrolliert werden konnte. Eine Infusion wurde ihr gelegt. Ich blickte traurig auf mein kleines, zartes Wesen, wie es da lag, umgeben von Schläuchen. Ich war erschöpft von der Freinacht, von der Geburt und von den Geschehnissen des Tages. Wir hatten noch ein kurzes Gespräch mit den Ärzten die uns sagten, dass Calista ziemlich sicher Trisomie habe. Das war uns aber bereits schon sehr bewusst. Des weiteren habe sie dickes Blut, d.h. sie habe sehr viele rote Blutkörperchen und deshalb sei sie am Nachmittag so schnell blau geworden. Warum sie sich verschluckte, sei wahrscheinlich auf die Trisomie zurück zu führen. Sie werde nun per Infusion Flüssigkeitszufuhr kriegen, die ihr Blut wieder normalisiere. Das sei nicht weiter schlimm, komme bei Neugeborenen immer wieder mal vor.
Es war spät, ich musste schlafen gehen und legte mich ins Bett meines neuen Zimmers auf der Wochenbettstation, welche in einem anderen Gebäude war. Christian fuhr wieder nach Hause. Die erste Nacht nach der Geburt lagen wir alle zertreut in anderen Betten. Christian mit den zwei grossen Mädchen zu Hause, ich auf der Wochenbettstation und Calista auf der Neonatologie. Wäre ich nicht so erschöpft gewesen, hätte ich wahrscheinlich die ganze Nacht geheult.

Am nächsten Tag folgten wegen des schweren Trisomieverdachts weitere Organuntersuchungen. Auch haben sie auf dem Herzen etwas gehört, das auf einen Herzfehler hindeutete. Wir blieben immer noch gelassen, weil wir etwas Kleines, wie ein Löchlein in der Trennwand, erwarteten. Schliesslich haben wir in der 20.SSW ein Organ-Screening gemacht und der Arzt sagte, dass alles tiptop in Ordnung sei, das Herz und sonst alles gut aussehe. 
Christian kam mit Cosima und Thalia, sie durften ihre Schwester sehen und hüpften im Spital herum. Eine Freundin, die nebenberuflich Astrologin ist und 10 Tage vor mir einen Sohn geboren hatte, wollte die genauen Geburtsdaten wissen. Sie schrieb mir dann per SMS, dass ich ein sehr, sehr starkes Mädchen geboren habe, denn sie sei sowohl im Sternzeichen wie auch im Aszendent Steinbock, zudem habe sie noch fünf weitere Planeten im Steinbock. Was dies alles heisst, wusste ich nicht. Ich merkte mir den Satz: Du hast ein sehr starkes Mädchen geboren.

Am Freitag, den 15. Januar gab es eine grosse kardiologische Untersuchung mit anschliessender Besprechung. Ich war froh, denn ich hoffte sehr, Calista fürs Wochenende wieder zu Hause haben zu können. Ich wollte endlich wieder mein Baby haben, in meinem Bett liegen und das Wochenbett geniessen. Die Ärztin hatte zwei weisse Blätter vor uns liegen. Auf dem einen zeichnete sie ein gesundes Herz, auf dem andern das Herz von Calista. Ich starrte auf das Blatt und meine Augen füllten und überfüllten sich mit Tränen. Vielen Tränen. Was die Ärztin uns mit ruhiger Stimme sagte und was sie uns an massiven Herzfehlern aufzeigte, war für uns unendlich schmerzhaft. Calista hatte nebst einer unterentwickelten linken Herzkammer einen kompletten AV-Kanal, einen Herzklappenfehler sowie einen Duktus. Christian und ich hielten uns die Hand und weinten unaufhörlich. Wir sassen da, hörten den Stimmen zu und in meine Augen brannte sich die Zeichnung von Calistas Herz ein, während es in meinem Kopf hämmerte: Nein, nein, nein!!

Was jetzt, wie weiter? Sie sprachen von Abwarten, von weiteren Untersuchungen, von eventuell baldiger kleiner Operation, von Medikamenten, von einer grossen Operation. Sie sprachen von Verlegung auf die Intensivstation des Kinderspitals. Ich ging hinüber zu Calista, nahm sie in meine Arme und schluchzte. Mein kleiner Engelchen. Ich darf sie nicht nach Hause nehmen, mein Herz schien zu zerreissen. Eine halbe Stunde später kam die Ambulanz und sie wurde in einen Wagen gelegt, der rundum mit Plexiglas zu war, und mit Schläuchen wieder angeschlossen. Durch zwei runde Öffnungen konnte ich nochmals meine Hände zu ihr hinstrecken und sie zum Abschied über den Kopf streicheln. Danach fuhren sie mit ihr weg ins Kinderspital auf die Intensivstation. Ich schaute ihnen hinter her und mein Herz schrie: Nehmt mir nicht mein Baby!
Alles ging schnell, vom Gespräch mit den Ärzten bis zur Abfahrt verging vielleicht knapp eine Stunde. Irgendwie kam ich nicht nach und gleichzeitig musste ich funktionieren. Wir hatten ja noch zwei Mädchen zu Hause, die auch sehr verunsichert waren und uns brauchten. Ich wollte tapfer sein. Christian kam mit mir ins andere Gebäude aufs Wochenbett, wir packten meine Sachen und fuhren ins Kinderspital. 

Die Intensivstation der Kardiologie hatte andere Regeln. Man musste an der Tür klingeln und warten, bis man abgeholt wurde, Hände waschen, desinfizieren und falls nicht ganz gesund musste man einen Mundschutz tragen. Die Geschwister hatten kein Besuchsrecht. Ungeduldig durchliefen wir das Prozedere, ich wäre am Liebsten einfach nur hinein gerannt: Wo ist Calista, wie geht es ihr?!
Sie lag in ihrem neuen Bettchen, wieder an Schläuchen angeschlossen und sie schlief friedlich. Ich war beruhigt; im Zimmer war es ruhig. Die Monitoren piepsten, die Pflegerinnen liefen auf geräuschlosen Sohlen. Es waren noch zwei andere Babies im Raum. Eines atmete schwer. Wir waren nicht alleine mit unserem Schicksal. Das tat irgendwie gut.



Es brach nun eine Zeit an, in der alles wie ein Erdbeben durchgeschüttelt wurde, was bisher in Ordnung war. Ich konnte die ersten Tage kaum aufhören zu heulen. Die Tränen flossen haltlos aus mir heraus. Stand ich vor der IPS-Tür und klingelte, versiegten die Tränen und ich freute mich riesig, Calista bald in meinen Armen zu halten. Ich konnte morgens 2h und abends 2h bei ihr sein, das war für mich viel zu wenig, doch es ging nicht mehr. Cosima und Thalia brauchten mich auch sehr, sie waren sehr traurig darüber, dass Calista im Spital war und sie sie nicht sehen konnten. Sie waren auch sehr verunsichert, weil sie uns noch nie so erschüttert erlebt haben. Zudem musste ich mich nachmittags konsequent hinlegen, ich hatte ja erst gerade geboren und sollte dringend ruhen. 

Calista hingegen ging es immer sehr gut. Sie strahlte Ruhe und Zufriedenheit aus. Das gab mir grossen Trost und nach einigen Tagen sagte ich mir: "Hör Du nun auf mit dem Jammern. Calista ist so tapfer und zufrieden und du heulst nur. Du musst sie stärken mit Zuversicht und Glaube an sie." Und ich staunte selbst, wie schnell ich diesen Schalter umknipsen konnte. Meine Erfahrung der Mutterschaft war bisher eine ganz natürliche: Meine Babies kamen nach der Geburt in meine Arme und dort blieben sie auch. Ich stillte sie nach Bedarf, sie schliefen im Bett neben mir und tagsüber trug ich sie meistens auf mir. Ich konnte 24h am Tag Liebe und Geborgenheit geben. Bei Calista war das ganz anders. Von 24h konnte ich nur 4h bei ihr sein. Ich habe zwar immer Muttermilch abgepumpt, doch wenn ich nicht bei ihr sein konnte, bekam sie die Milch aus der Flasche. Sie wurde von vielen fremden Leuten angefasst, untersucht, getragen, gebadet und gewickelt. Das wollte mein Mutterherz nicht. Aber Calista lehrte mich eine neue Art von Mutterschaft. Eine Mutterschaft, die Geborgenheit durch Vertrauen gab. Ich wollte ihr eine gute Mutter sein, indem ich nicht mehr die ganze Zeit weinte, sondern mutig war, an sie glaubte und ihr Vertrauen schenkte. Ich wollte ihr das Gefühl geben, dass sie genau so, wie sie ist, für uns perfekt ist. 



Christian hat nach ein paar Tagen die Situation schön zusammengefasst. Er sagte, dass wir ja überhaupt keinen Verlust haben, wir haben zu dem, was wir bereits hatten, noch etwas Neues dazu bekommen. Anders als wir es uns vorstellten, doch es ist dennoch einen Gewinn.

Ich hatte das grosse Glück, dass ich in meiner Nachbarschaft eine ganze Truppe von "Engelsmütter" hatte, die mir jeden Tag abwechslungsweise ein gekochtes Essen vor die Tür legten. Sie nahmen sehr viel Anteil und stärken mich moralisch. Das tat sehr gut, sowohl das feine Essen wie auch die Anteilnahme. Die Nachbarn im Haus übernahmen jeden Abend das Babyphone, so dass wir ins Spital fahren konnten, wenn die Kinder schliefen. Wir hatten unglaublich viel Glück erfahren dürfen und es stärkte mich sehr und gab ein Gefühl, getragen zu werden. Ihnen bin ich bis heute unendlich dankbar für diese Unterstützung.

Mein Wochenbett musste ich streng durchplanen, damit ich allen Anforderungen und Bedürfnissen gerecht werden konnte. Ich staunte, über welche Kräfte ich verfügte. Und trotz des gesundheitlichen Befundes unserer kleinen Calista war ich auch sehr glücklich und dankbar. - Ich staunte über die Hilfe, die ich von allen Seiten bekam, ich war unglaublich dankbar für die Spitzenmedizin im Spital und am Wichtigsten für mich war die süsse kleine Calista, die alles so ruhig und gelassen hinnahm: Wie ein Engel schlief, zufrieden und wach um sich guckte, sich nie beklagte, sondern in ihrem ruhigen Wesen alles abwartete, gut an der Brust trank und einfach zum Knuddeln und ganz fest Liebhaben war. Sie gab mir unglaublich viel Kraft und Zuversicht.





Die Ärzte warteten auf der IPS, bis ihr Lungendruck abfiel und ihr Herzchen insuffizient wurde. Als ihr Herzchen an diesen Punkt gekommen war, wurde die Situation nochmals beurteilt und entschieden, dass sie keine erste OP brauche und mit Medikamenten eingestellt werden konnte. Sie brauchte diese als "Überbrückung" bis zu ihrer grossen Herz-OP mit ca. 4 Monaten. 


Nach einer Woche IPS kam Calista auf die Neonatologie und dort wurden ihr die Medikamente eingestellt. Die Geschwister hatten wegen der Schweinegrippe immer noch kein regelmässiges Besuchsrecht. Nach zwei Wochen konnten wir Calista einmal ins Elternzimmer nehmen und Cosima und Thalia durften endlich wieder einmal ihr Schwesterchen in den Armen halten. Welch eine Freude!


Ein paar Tage bevor wir Calista endich wieder zu uns in die Familie holen konnten, kam noch der letze Schock. Calista nahm nicht mehr zu, wegen den Medikamenten. So wurde zuerst die abgepumpte Muttermilch mit extra Kalorien angereichert, als dies auch nicht den erwünschten Erfolg brachte und sie auch nicht die geforderte Menge an Milch trank, wurde ihr eine Ernährungssonde durch die Nase in den Magen gelegt. Da war er nun, der kleine, dünne Schlauch der ihr mitten ins Gesicht auf die Backe geklebt wurde und dort bleiben musste. Wir wurden eingeführt in die Handhabung dieser Nasensonde, ich kriegte einen Plan, wann wir ihr welche Medikamente geben mussten und wieviel sie pro Tag von dieser angereicherten Milch zu trinken hatte, resp. sondieren mussten. Ich durfte nur noch zweimal pro Tag stillen. 


Auch das lernte ich zu akzeptieren. Für mich gab es nur noch eines: Ich wollte endlich mein Baby wieder haben, meine Geduld war am Ende. Ich wollte Calista nach Hause nehmen.

Über drei Wochen nach ihrer Geburt war unsere Familie wieder komplett. Für mich als Mutter gab es nichts Schöneres. Nasensonde? Egal. Herzfehler? Egal. Down Syndrom? Egal. Hauptsache war, dass ich mein Baby wieder jederzeit in meinen Armen halten durfte, dass ich wieder rund um die Uhr ihre Mama sein durfte, sie tragen, streicheln, küssen und wiegen konnte. Sie kam als Patientin nach Hause und wir wussten, in ein paar Monaten muss sie für die grosse Operation wieder ins Spital. Doch für uns zählte nur noch den Moment und wir waren unglaublich glücklich.

Cosima bastelte ihr eine Krone

Am 13. Januar ist unsere dritte Prinzessin zur Welt gekommen und einen Monat vorher, am 13.Dezember, an meinem Geburtstag, haben wir ihren vollen Namen gefunden: Calista ist griechischen Ursprungs und bedeutet "die Schönste", Attiya ist arabisch und bedeutet "Geschenk des Himmels", frei auf deutsch: "Das schönste Geschenk des Himmels"!

Mittwoch, 16. Februar 2011

Wie Calista zur Welt kam

Der Geburtstermin wäre der 15. Januar gewesen. Drei Tage vor dem Termin, am Dienstag Nachmittag, gab mir eine Freundin ein homöopathisches Mittel, welches sehr wehenfördernd sei, wenn die Geburt reif wäre. Ich nahm diese weissen Kügelchen.
Um acht Uhr abends setzten tatsächlich die Wehen ein und ich spürte sofort, das dies echte Geburtswehen sind. Ich brachte die Kinder ins Bett und riet ihnen, möglichst schnell einzuschlafen, damit Mama gebären kann. Sie waren gehorsam.

Um neun rief ich Cristina, meine Hebamme an und teilte ihr mit, dass ich Wehen habe, die bis ins Kreuz ziehen und sie damit rechnen müsse, diese Nacht zu mir zu kommen. Wie bei Thalia plante ich eine Hausgeburt. Die Kinder schliefen, Christian war zuhause und ich hatte Wehen. Alles war perfekt.

Meine Bauchaktivitäten waren zu unangenehm, als dass ich schlafen konnte. So stand ich wieder auf, riet Christian aber liegen zu bleiben. Um mich abzulenken begann ich, im Wohnzimmer das Sofa und den Boden mit Plastik und Leintücher abzudecken. Habe den Schlauch für das Gebärpool gelegt und weiter abgewartet, was die Wehen machen.

Gegen fünf Uhr morgens kam meine Hebamme Cristina, ich brauchte sie nun. Mein Mann Christian trug die Kinder schlafend zur Nachbarin, so wie vereinbart. Ich war im warmen Wasser des Gebärpools, Christian sass daneben, kontrollierte meine Wehen. Ich freute mich riesig auf unsere dritte Prinzessin! Der Gedanke, dass sie ganz bald da sein wird, ich sie halten und küssen kann, motivierte mich sehr. Ich freute mich, sie den grossen Schwestern in die Arme geben zu dürfen - lange haben sie auf ihre kleine Schwester gewartet.


Irgendwann verlor ich den Mut. Ich hatte keine Kraft mehr, konnte mit den Wehen nicht mehr mitgehen, wollte eigentlich überhaupt keine Geburt, sondern nur noch in Ruhe gelassen werden von der ganzen Welt. Ich war erschöpft und fühlte mich total machtlos. Vor allem kam die große Angst, dass es wieder so werden könnte wie bei der ersten Geburt, nämlich "ein Schrecken ohne Ende". Nach einiger Zeit gab Cristina meiner Bitte, ins Spital zu fahren, nach. Ich wollte die Verantwortung abgeben, ich wollte ein Wundermittel, eine PDA, einen Kaiserschnitt, ein Ende. Cristina verlangte aber noch, dass ich aus dem Pool komme und zwei Wehen auf dem WC veratmeKaum war die erste Wehe vorbei, rutschte der Kopf des Babys so tief, dass ich wusste, jetzt gibts kein zurück mehr. Mit dem Gefühl des Kopfes zwischen den Beinen watschelte ich zum Pool und presste mit wenigen Wehen das warme, schlüpfrige Bündel heraus. ES WAR VOLLBRACHT! Ich war überaus erleichtert und glücklich und froh und stolz und erschöpft und im siebten Himmel...

Calista wenige Minuten alt

Ich legte mich aufs Sofa, nahm unsere jüngste Prinzessin an meine Brust und sie trank. Ich spürte die zarten Bewegungen ihrer Beine auf meinem Bauch und fühlte mich selig. Es war acht Uhr morgens, den 13. Januar 2010. Calista Attiya ist in unserer Familie angekommen.

Christian holte die Mädchen und die Nachbarin und standen sie neben mir, allesamt im Pyjama, strahlend, glücklich, aufgeregt. Eine halbe Stunde später klingelte es an der Tür und drei liebe Mütter aus der Nachbarschaft kamen herein, mit einer vollen Einkaufstüte. Sie bemerkten am Morgen, dass  überall die Fensterläden zu blieben und wussten gleich, was es zu bedeuten hatte. Ich sehe die Gesichter noch vor mir, wie sie mit roten Backen vom kalten Wintermorgen in unserer Stube standen, lachten und sich mit uns freuten. Sie waren ganz bewegt, so nah bei einer Geburt dabei zu sein, mich mit unserem neuen Babylein so "frisch" begrüssen zu dürfen. Es waren glückliche Momente. Dieses heilige Ereignis, eine neue Seele willkommen zu heißen, zu Hause, im Kreise der Familie und Freunde, war wunderbar schön. Ich sog alles auf in mein Herz.

Cristina untersuchte Calista, alles schien gut zu sein. Sie wurde gewogen, gemessen und warm eingepackt, die gestrickten Söcklein angezogen. Für mich war Calista perfekt. Ich sah nichts, ich ahnte nichts. Ich war bereits in meinen Babymoon und verschickte bald darauf SMS, dass wir eine gesunde Tochter in unseren Armen empfangen durften.

Cosima und Thalia gingen mit den Nachbarskindern am Nachmittag schlitteln. Wir genossen die ersten ruhigen Stunden mit unserem Babylein. Ich hielt Calista glücklich und stolz in meinen Armen und drückte sie an mein Herz, sie fühlte sich ganz weich und lieblich an und ich flüsterte ihr ins Ohr, dass ich sie sehr liebe. Es war ein goldiger, intensiver Moment, an welchen ich mich später immer wieder erinnerte und mir viel Kraft gab. Denn jäh veränderte sich alles, die rosa Wolke wurde grauschwarz und wir prallten auf den Boden der Realität: Plötzlich begann Calista sich zu verschlucken, hörte auf zu atmen und wurde innert Sekunden blau im Gesicht. Die Harmonie wich der Panik. Erst klopfte ich ihr sanft auf den Rücken, dann stärker, drehte sie auf den Kopf und begann heftig zu klopfen. Da erbrach sie sich, Schleim kam raus und langsam und vorsichtig begann sie wieder zu atmen. Sie weinte kaum. Und kaum hat sie die Atmung wieder aufgenommen und die Gesichtsfarbe war wieder mehr oder weniger normal, schlief sie weiter. Christian und ich zitterten und konnten uns kaum erholen. Plötzlich standen wir da mit einem Notfall und es gab keinen Knopf zu drücken, um schnell Hilfe zu erhalten. Ich kam mir total verlassen vor. Wir riefen Cristina an und sie versprach, vorbei zu kommen. Als sie da war, untersuchte sie Calista nochmals und wir organisierten eine Übernachtung im Spital, damit sie überwacht werden konnte. Christian war in der Küche am Telefon, wir im Schlafzimmer.

Bei dieser Gelegenheit erklärte mir Cristina, dass Calista einige Merkmale habe. Sie zeigte mir ihre süssen kleinen Ohren, die oben leicht etwas anders gefaltet waren und fragte, ob jemand von uns das auch habe. Weiter meinte sie, dass der Muskeltonus etwas schwach sei, doch ich wusste, dass Thalia das auch ein bisschen hatte. Ja und dann sei bei einer Hand noch eine Vierfingerfurche. Ich fragte sie naiv, was denn diese Merkmale zu bedeuten hätten? Da meinte sie, dass sie auf eine Trisomie 21 hinweisen. Es sei aber erst eine Vermutung. - Mir stockte kurz den Atem und in meinem Kopf begannen sich die Gedanken aufzutürmen. Ich schaute Cristina schweigend an und schluckte leer. Meine Prinzessin hat Trisomie?! Ich wollte in der Schwangerschaft keine Voruntersuchungen bezüglich Trisomie machen, weil ich wusste, dass ich ein solches Kind nicht abtreiben werde, für mich ist es in meinem Herzen genau so willkommen. - Doch nun war diese Vermutung ausgesprochen und damit wusste ich auch gleich, dass es so ist. Unsere Tochter hat das Down Syndrom. Mein Energielevel sank plötzlich ganz tief, der Boden unter meinen Füssen wurde weich. Ich hatte frühere Bilder von erwachsenen Menschen mit Down Syndrom in Erinnerung, die eher befremdlich waren und gleichzeitig hielt ich ein kleines, süsses Bündel in meinen Armen, das wunderbar roch und mein eigenes Fleisch und Blut war. Wie kriegte ich das zusammen

Mein kleines Liebesbündel

Ich ging in die Küche zu Christian und erzählte ihm alles. Sein Gesicht wurde kurz bleich und er schaute mich schweigend an mit einem Blick, der mich anflehte: Sag mir, dass es anders ist! Doch wir wussten beide, dass es unwiderruflich so ist.

"Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann"(Francis Picabia). Dieser Umdenk-Prozess setzte nun bei uns ein. Wir mussten uns verabschieden von den Bildern und Vorstellungen, die wir noch vor ein paar Minuten über unsere dritte Tochter, über unser zukünftiges Familienleben hatten. Den Weg, den wir kannten, war plötzlich zugeschüttet. Wir mussten umkehren und schauen, wo ein anderer Weg zu finden ist. "Was machen wir nun?", fragte mein Mann hilflos. "Nichts. Sie ist erstmal unser Baby und wir lieben sie jetzt einfach. Alles andere wird sich ergeben.", antwortete ich. In unser Herz haben wir sie beide geschlossen und dort blieb sie auch. Sie blieb unsere Prinzessin.

Wir lieben sie jetzt einfach


Den Kindern erzählten wir noch nichts, wir mussten zuerst selber unsere Gedanken ordnen, bevor wir die richtigen Worte für unsere Kinder finden konnten. Nach dem Abendessen brachte Christian die Kinder ins Bett und ich zog mir die Hosen an. Meine Freundin Sophia kam mich und Calista abholen und fuhr uns ins Spital. Christian kam nach, sobald Sophia zurück war, um die schlafenden Kinder zu hüten.

Was aus der vermeintlichen "einen Nacht" zur Überwachung im Spital wurde, erzähle ich im nächsten Post. Ich muss nun ins Bett, es ist spät geworden.

Gute Nacht!
Iren