Dienstag, 13. Mai 2014

schwelgen in Erinnerung

Ich sitze da, schaue mir all die Fotos nochmals durch und finde es total schön, den letzten Sommer nach so langer Zeit wieder aufleben zu lassen. Macht Euch eine Tasse Tee, geht noch auf's Klo und dann kommt mit, in unseren letzten Sommer.

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Entgegen unseres Plans, morgens loszufahren, wurde es fünf Uhr nachmittags, bis Christian den knatternden Motor unseres VW-Busses anlassen konnte und wir mit freudig pochendem Herzen unser sommerliches Abenteuer starteten.

Wir fuhren nach Frankreich, in den Abend hinein und zweigten irgendwann, etwa eine Stunde nach Basel, einem Camping-Schild folgend rechts ab. Inmitten schönster Natur fanden wir unser erstes Nachtlager.


Der Morgen brachte Sonne und frisches Baguette und bald reisten wir weiter, wir wollten an Paris vorbei in die Bretagne gelangen.



Im Bus erlauben wir den Kindern zwischendurch mal, wenn es kaum Verkehr hat auf der Autobahn, sich von den Sitzen zu erheben und den Platz zu wechseln. Das geniessen sie jeweils sehr.

Paris konnte ich links liegen lassen, aber ich insistierte, in Chartres einen kurzen Halt zu machen. Ich habe während meines Studiums ein Seminar über gothische Kathedralen besucht und gegen meinen Erwartungen war es wahnsinnig spannend und faszinierend zu verstehen, wie eine Kathedrale damals entstanden ist. Ich kenne Frankreichs Kathedralen, mit Ausnahme von Strassburg, leider nur von Bildern. Ich freute mich nun riesig auf die Kathedrale von Chartres, damit ging ein Traum von mir in Erfüllung.



Neben dem imposanten Bauwerk erfrischten wir uns in einem touristischen Restaurant und fuhren weiter. Bis an die Küste lagen noch ein paar Kilometer vor uns...



Auf gut Glück fanden wir gegen Abend ein paar Kilometer von Saint Malo einen Camping mit Swimmingpool. Zur grossen Freude der Mädchen.



Wir blieben ein paar Tage. Mit dem Fahrrad fuhren ins nahe Städtchen Dinard, assen Crêpes und genossen entspannte Stunden an der Fischerbucht. Die Mädchen erlebten das erste Mal Ebbe und Flut und ich freute mich darüber. Es ist immer wieder von Neuem faszinierend, das Kommen und Gehen des Wassers zu erleben.





In familiärem Rahmen feierten wir den Schweizer Nationalfeiertag...



... und besuchten Saint Malo. Ein Erlebnis, obwohl es bis an die Schmerzensgrenze touristisch ist. 



Nach kurzer Erfrischung im Meer erlebten wir das Eindunkeln des Tages beim Mont Saint Michel. Natürlich ist dieser Ort auch touristisch, aber dennoch sehr eindrücklich.




Auf dem Weg hierher haben wir den schrecklichen Motorradunfall gesehen, dessen Bilder sich in mir eingebrannt haben. Ich war immer noch erschüttert davon. Doch im Leben sind alle Gegensätze ganz nach beieinander. Und vielleicht ist es nicht zufällig, dass uns vor dem Mont Saint Michel einen "hugger" willkommen hiess. Ein Japaner, der mit dem Fahrrad in ganz Europa herum reiste und überall, wo er war, den Menschen Umarmungen anbot. Sein Lachen und seine offenen Armen versöhnten mich etwas mit der Welt. Wie auch Thalia, die mit meiner Kamera los zog und sich ein Foto aus einem Ladenfenster machte, das mein Herz lächeln liess.

Am nächsten Tag fuhren wir der Küste entlang bis Roscoff. Das war unser Ziel. 


Seht ihr unseren Bus? - Mit Fahrrädern, Surfbrett und Solarzelle auf dem Dach...

Auf dem gemütlichen Weg dorthin suchten wir Muscheln im Meer, bereiteten sie zu und kochten sie später. Doch Thalia, die Muscheln liebt, konnte dann doch keinen Bissen runter kriegen.


In Roscoff nahmen wir die Fähre und setzten nachts rüber nach Plymouth. Im Morgengrauen erwartete uns die Küste der Briten. Etwas theatralisch, wie es zu erwarten ist.


Es war Sonntag früh. Das Wetter merklich kühler und regnerisch. Warum nur sind wir auf die Idee gekommen, nach Cornwall zu fahren? fragten wir uns verschlafen und mit hungrigem Bauch. Wir suchten nach einem Restaurant oder einer Beiz, die bereits offen hat. Eine warme Schokolade, einen heissen Kaffe. Wir wollten nicht viel. Doch alles war noch zu und wir fuhren weiter. Kingsand ist ein Fischerdorf auf der Halbinsel vor Plymouth, in das wir uns sofort verliebten. Nicht nur, weil wir dort ausgiebig frühstücken konnten. Es hatte den Charme, von dem wir von Zuhause aus träumten, wenn wir uns die Südküste Englands vorstellten. Da machte uns dann auch das Regenwetter nicht mehr so viel aus.



 

Kinsand heisst auch Cawsand. Inmitten des Dorfes findet man die Grenze zwischen Devon und Cornwall
Wir wussten nicht genau wie weiter. Wir hatten keinen Camping gebucht. Wir hatten keine genaue Idee. Nach ein bisschen herum irren und überlegen meinte Christian, er wollte an die Ostküste Cornwalls. Wir fanden einen Camping an der Bucht von St. Ives Bay. Es war nicht gerade unser Traumcamping und es regnete zwei Tage ohne unterlass. Unsere Stimmung lief mit den Regentropfen die Scheibe runter. Warum nur wollten wir nach Cornwall? Die Bretagne war so schön, einige Grad wärmer und man konnte gut im Meer baden. Wir rechneten aus, wie viel Zeit und Geld es brauchte, um wieder zurück nach Frankreich zu fahren und dem Trauerspiel hier ein Ende zu setzen. 


Das Wetter wurde besser. Wir blieben. Und wir begannen, Cornwall zu lieben.



Es war aber das Pub Gurnard's Head, das unsere Stimmung für Cornwall endgültig ins Positive kippte. Wir buchten auf Empfehlung hin dort einen Tisch. Nach einer wunderbaren Küstenfahrt assen wir ein hervorragendes Mittagessen dort, gemütliches Ambiente inbegriffen. Wenn Christian und ich fein bekocht werden, fühlen wir uns glücklich und wohl und lieben genau diesen Flecken der Erde, der uns diesen Genuss erleben liess. Gurnard's Head - nur schon dafür würde ich wieder nach Cornwall zurück wollen.



Im Gurnard's Head hat man uns empfohlen, beim Dörfchen Pendeen an die Küste zum Leuchtturm zu fahren, das Auto dort abzustellen und dann den Weg rechts hinunter zu gehen.


Thalia noch etwas benommen nach dem Sturz in der Fischerhütte.  Was hatten wir  Glück!
Am Wasser unten erwartete uns eine kleine, verträumte, wenig besuchte Bucht. Es war paradiesisch schön. Hier liessen wir den Tag ausklingen und uns von den letzten Sonnenstrahlen verwöhnen.




Auf dem XL Camping hielt uns nicht viel und wir zogen weiter. Beim Namen St. Ives hielten wir den Finger auf die Karte und beschlossen, diesen Ort zuerst zu besuchen und danach weiter zu schauen. Der grosse Parkplatz dort war bereits voll und wir kriegten einen Plänchen in die Hand für weitere Parkmöglichkeiten. Während wir im Städtchen herum suchten, entdeckte ich ein Campingschild und wir entschieden uns, dort mal vorbei zu schauen. Bevor wir also St. Ives gesehen haben, fanden wir bereits unseren Camping für die nächsten Tage. Ein Camping, wie wir es uns vorstellten: Klein, nett und mit freier Sicht aufs Meer. Das Glück schien uns gewogen!



St. Ives bietet uns genau das, was Christian glücklich macht: Wellen, und mich: Kunst. Gleich neben dem Strand, an dem man Wellenreiten kann, ist Tate St. Ives, ein Ableger der Tate Modern. Während ich mir also eine spannende Ausstellung anschaute, wusste ich Christian in unmittelbarer Nähe auf dem Surfbrett. Später in der Museumscafeteria hielt ich eine Teetasse in der Hand, während mein Blick durch das Fenster hindurch den Strand nach dem Rest meiner Familie absuchte. Sie kamen bald zu mir geeilt, denn es fing plötzlich heftig an zu regnen. Regen und Sonne. Mehrmals täglich abwechselnd. Das ist Cornwall.






Wir liefen vom Camping täglich ein Weglein durch die Büsche zum Meer hinunter. Die Vegetation hier hat einen südlichen Touch, weil es im Winter nicht richtig oder lange Minustemperaturen gibt.




Auf dem Camping lernten wir eine sehr nette Familie aus Köln kennen, mit zwei Mädchen im Alter von Cosima und Thalia. Bevor wir wieder weiter reisten, verbrachten wir einen unvergesslichen Abend zusammen. Die Männer spielten beide Gitarre und wir sangen. Die wunderschönen Stimmen von Helge und Gregor, das Kerzenlicht, der kühle Wind, die leuchtenden Kinderaugen, Lachen... das Glück braucht nicht viel. 
Vielleicht noch ein unvergessliches Vanilleeis. Gegessen in Newlyn. Bei Jelberts schien die Zeit stehen geblieben und auch das Rezept fürs Eis stammt noch von damals. Unverändert, ehrlich. In der Kühltruhe steht ein weisser Eimer gefüllt mit Vanilleeis. Nur Vanilleeis. Es gibt keine Auswahl. Sie machen nur etwas, dafür richtig. Es schmeckte fantastisch und es wäre ein weiterer Grund, wieder nach Cornwall zu fahren!



Unsere Heimreise gestalteten wir über London. Wir kommen an unserer Stadt nicht vorbei. Kein Umweg ist zu lang, um kurz hallo zu sagen.

Ich liess Thalia und Calista auf dem Spielplatz in der Nähe der Marylebone High Street herum klettern, wo ich früher Stunden mit klein Cosima verbrachte. Im Schatten der Bäume stand ich da und erinnerte mich mit ein paar Wehmutstropfen. Es ist meine Heimgegend, nicht allzu weit von hier haben wir damals gewohnt. Basement flat, klein und eng. Dort war ich mit Cosima schwanger, hier hat sie als Babylein und Kleinkind gelebt. Auch in ihrem Herzen hat London immer einen speziellen Platz. 



Nach 24h in London mussten wir in Dover die Fähre erwischen, die uns nach Calais brachte. Von dort fuhren wir dann direkt nach Hause. London-Dover-Calais-Basel-Zürich: Genaus so, wie das Jahr davor, haben wir unsere Ferien beendet. Aber mit einer ganz anderen Route, mit ganz anderen Begegnungen und Erlebnissen. Aber genau so abenteuerlich und reich.

Cosima liess sich noch im Selfridges Kaufhaus einen Frisur machen...



Während ich diese Zeilen schrieb, sass ich mit Christian auf dem Sofa. Er hielt den Ipad in der Hand und surfte virtuell in Europa herum... Wohin soll die Reise diesen Sommer gehen? Wir sind noch nicht entschieden und träumen von verschiedenen Möglichkeiten. Es wäre schön, die nette Kölner Familie wieder zu treffen. Sie haben uns geschrieben, dass sie dieses Jahr an der Atlantikküste Frankreichs sind... Vielleicht hat jemand von Euch noch eine Idee, einen guten Rat? Ich freue mich davon zu hören!

Herzliche Nachtgrüsse von Iren, die hofft, dass einige von Euch nun auch inspiriert seid.