Lange haben wir sechs Fotografen auf diesen Moment hingearbeitet und gebibbert. Wir planten eine Gruppenausstellung, um unser gemeinsames Projekt zu zeigen. Es war für fast alle das erste Mal, dass wir eigene Arbeiten öffentlich hängen. Wie ich bereits im letzten Post schrieb, habe ich dies als großer Unterschied empfunden. Ich war viel nervöser, weil ich vielen kritischen und neugierigen Augen etwas persönliches von mir anbot. Weil ich mich zeigte. Ich und meine Arbeit. Was meinen die Anderen dazu? Wirken die Bilder langweilig? Banal? Darf ich meinen Besuchern zumuten, sechs Stockwerke hoch zu gehen, um dann, etwas außer Atem, vielleicht nichts spannendes vorzufinden? - Ich hatte Angst...
Kurz vor der Vernissage haben wir draussen alle mit einem Glas Prosecco angestossen und uns etwas Mut gegeben... |
Klar, es kamen meine Freunde und Familie. Sie waren von Anbeginn an wohlwollend. Und sicher haben sie mir nicht jeden Gedanken mitgeteilt, den sie gehabt haben... Aber - die Stimmung war gut, es gab noch viele andere tolle Arbeiten zu schauen und ich hoffe, dass es niemand bereut hat, vorbei zu schauen. Die Photobastei, ein Haus mit sieben Stockwerken voller Fotografie, ist immer einen Besuch wert.
Getragen habe ich am Schluss, nachdem das Bett mit hingeschmißenen Kleidern voll war, nichts mutiges: Ein Paar schwarze, enge Jeans, ein weißes Leinentop und verwaschene Turnschuhe. Christian fand die Turnschuhe nicht so toll, aber ich glaube, als er dann sah, in welchem kurz-vor-dem-Abbruch-Gebäude-mit-Indusrie-groove wir ausstellen, fand er es auch passend. Turnschuhe gehen in der Kunstszene sowieso immer. Das ist nie eine Fehlentscheidung.
Im roten Shirt Jürg, unser "Mentor-Fotograf", der uns in diesem Projekt toll unterstützt hat. |
Seine kurze Ansprache... |
Im Hintergrund mein absolutes Lieblingsbild der Ausstellung, von Matthias fotografiert, der uns links gerade den Rücken kehrt. |
Das Thema, das wir uns gaben, war, je eine Person zu suchen, die wir möglichst nicht gut kennen, und sie über 6 Monate immer wieder zu treffen und zu porträtieren. Ich habe dazu Gabi angefragt und sie hat mir spontan zugesagt. Sie fügte aber noch an, dass sie sehr schwer zu fotografieren sei. Ich war davon mal nicht beeindruckt. Das sagen die meisten von sich.
Es stellte sich für mich aber wirklich als eine große Herausforderung dar, von Gabi jene Bilder zu machen, die ich wollte und nicht die, welche sie von sich vorstellte. Gabi ist eine Frau, die stets in Bewegung ist, spricht, lacht und gestikuliert. Es ist sehr unterhaltsam mit ihr, doch ich wollte nicht diese Gabi zeigen. Ich wollte tiefer in sie eindringen und Bilder erhaschen, in denen sie etwas unkontrollierter, "nackter", sensibler oder stiller ist.
Zwei Bilder habe ich mit einer analogen Hasselblad fotografiert und dann einen Silbergelatin-Barytabzug machen lassen. Ich liebe diese alte Technik, es liegen, wenn man die ganze Nostalgie abschminkt, immer noch Welten dazwischen. Diese Tiefe, dieses Körperhafte, dieses Dreidimensionale, diesen Sog... Ich liebe es.
In analoger Fotografie zeigte ich von Gabi ein Diptychon: Kopf und Füße. Füße, das habe ich gemerkt, wird mit zunehmendem Alter weniger gerne gezeigt, möchte man lieber nicht fotografieren lassen. Gabi hat auch da spontan ihre Zustimmung gegeben, obwohl ihre gepflegten Füße an keinem Schönheitswettbewerb gewinnen würden. Aber es ist für mich mein allerschönstes Bild geworden. Ihre Fußsohlen erzählen ihr ganzes Leben. So, wie ihr Gesicht. Pur und ehrlich. Ich mag das.
Gabi wird in einem Monat 60 Jahre alt. Sie war im Vorfeld etwas kritisch, weil sie nicht so glücklich war über meine Wahl des Porträts. Doch als sie dann vor den Bildern stand, war sie total überwältigt. Positiv überwältigt, zum Glück. Mit Tränen in den Augen erklärte sie mir, dass unsere gemeinsame Arbeit sie in den vergangenen Monaten beim Prozess unterstützte, im jetzigen, aktuellen Alter anzukommen. Das ist Gabi. Jetzt und heute. Gabi, die auf den Bildern zuerst über ihr Alter erschrak, dann aber mit etwas Stolz und Freude sehen konnte, dass sie trotzdem immer noch schön ist. - Das war mein schönstes Feedback, das ich erhalten habe.
Gabi, meine Protagonistin. |
Herzliche Grüße von Iren, die mit ihren Fotografenfreunden zusammen nun noch ein Magazin plant, weil sie alle aus Platzgründen nur einen Bruchteil der gelungenen Bildern zeigen konnten, die im Verlauf der vergangenen Monaten entstanden sind. Und die im nächsten Post von Thalias Geburtstag erzählt.