Vor einigen Wochen ist ein Buch innerhalb der "Papa-Moll"-Reihe heraus gekommen, das sich für die bessere Integration von Menschen mit Behinderung und für Toleranz einsetzt.
Die Geschichte beginnt mit Familie Moll und dem Dackel Tschips, die einen Ausflug in die Berge machen und dabei auf eine Gruppe Menschen mit Behinderung treffen. Als Papa Moll sich erschöpft vom Aufstieg an Peters Rollstuhl lehnt, kommt dieser ins Rollen und saust den Berg hinunter. Wie kommt Peter nun den Berg herunter?
Weil Papa Moll sich entschuldigen möchte, besucht die Familie die Einrichtung, in der die Gruppe lebt. Papa Moll will seine Hilfe anbieten und bleibt vorerst mal bei diesen neuen Freunden. Zusammen erleben sie typische Papa Moll Abenteuer, in denen Moll immer wieder viele sympathische Ungeschicklichkeiten passieren. Die Menschen mit Behinderung werden in verschiedenen Situationen gezeigt, in denen sie mal cleverer sind als Moll, phantasievoller oder verspielter. Mit Witz, Humor und Respekt wird ein lebendiges Heimleben mit ihren Bewohnern porträtiert. Dabei wirbt das Buch unterhaltsam und unaufdringlich für Toleranz.
Bei der Entstehung des Buches wurde sorgfältig recherchiert und mit Spezialisten und Betroffenen eng zusammen gearbeitet. Die Idee zu diesem Band stammt von Menschen aus dem Arbeits- und Wohnzentrum in Kleindöttingen, welche das Buch mit Rat und Tat auch gefördert haben. Diese gelungene Zusammenarbeit spürt man beim Lesen und Anschauen der lustigen Bildern.
Die Autoren des Buches wünschen sich damit eine bessere Integration von Menschen mit Behinderung in den gesellschaftlichen Alltag. Sicher hilft es für mehr Interesse und Toleranz, doch ich sehe den Link zum gesellschaftlichen Alltag nicht gut... Da kommen meine persönlichen Fragezeichen. Denn es geht hierbei ja um das Leben in einem Wohnheim und Werkstätte. Die Menschen haben im ganzen Buch kaum Kontakt zur Gesellschaft außerhalb ihres Heimradius. Das spezielle Ereignis, dass Moll uns seine Familie zu ihnen ins Wohnheim kommen und seine Hilfe anbieten, ist der Aufhänger der Geschichte. Der Leser kann sich mit Moll identifizieren und vielleicht auf die Idee kommen, auch mal eine solche Einrichtung zu besuchen, zumindest an einen von ihnen organisierten Bazar zu gehen. Dennoch, die Menschen mit Behinderung bleiben eine Gesellschaftsgruppe unter sich, mit wenig Austausch zum öffentlichen Leben. Es bleibt ein eigenes Biotop.
Wenn ich sehe, wie Calista sich weitgehenst "normalmenschlich" entwickelt, sich für die genau gleichen Dinge wie ihre Schwestern interessiert, sich über die gleichen Sachen freuen oder aufregen kann und ein Mädchen ist, dass aktiv und möglichst autonom ihre Schritte ins Leben macht. Wenn sie voller Freude ein hübsches Kleidchen anzieht, sich vor dem Spiegel dreht und zur Musik tanzt, wenn sie draußen mit anderen Kindern Roller fährt, Fußball und Verstecken spielen will, wenn sie wie die großen Schwestern eine Schultasche schnappen will und mir fröhlich "Tschüss Mama!" winkend zuruft, wenn sie frustriert ist über ein Missgeschick, wenn sie Restaurant spielen und mir Kaffee servieren will, wenn sie liebevoll mit ihren Puppen spielt und einen ganz sanften Blick bekommt, wenn sie ein Baby sieht. Wenn sie eine Aufgaben bekommen will, stolz ist, eine Verantwortung zu tragen, strahlt, wenn ihr etwas gelingt und jeden Tag neugierig die Welt ein Stückchen mehr erobert. Wenn ihre Lieblingssätze "Ich auch!" und "Ich will alleine!" heissen... dann gibt es für mich nur einen Weg: Die Inklusion. Es gibt für mich keinen überzeugenden Grund, warum Calista "ausgeschlossen" werden soll. Warum sie in einem Heim leben soll, wo sie sich ihre Mitmenschen und Betreuer nicht aktiv selbst aussuchen kann, wo sie immer fixe Essenszeiten und fremdbestimmte Menupläne akzeptieren muss. Ein Ort, der Schlaf- und Weckzeiten vorschreibt. Eine Werkstätte besuchen soll, die eine Reihe von Tätigkeiten anbietet, aus denen sie sich etwas auszusuchen hat, und dabei etwas "Sackgeld" verdient aber nie einen richtigen Lohn bekommt.
Warum soll Calista, die nun fröhlich und voller Lebenslust mitten unter uns lebt, gesellschaftlich "abgeschoben" werden?
Inklusion ist in Thema, dass nicht nur für mich immer aktueller wird, sondern auf uns alle zu kommen wird. Schließlich hat die Schweiz (wie auch die EU und viele andere Länder) im April dieses Jahres die UNO-Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Diese beinhaltet vor allem die größtmögliche, gleichberechtigte
Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben. Die Schweiz hat sich somit verpflichtet, die Inklusion und Gleichstellung dieser Menschen in der Gesellschaft aktiv zu fördern. Natürlich sind mit diesem offiziellen Beitritt erst
die Grundlagen geschaffen. Die konkrete, alltägliche Umsetzung muss von allen
Gesellschaftsmitgliedern unterstützt werden, denn Inklusion entsteht nicht
durch einen politischen Entscheid, sondern ist ein gesamtgesellschaftlicher Umdenkprozess. Und ein großer Lernprozess für alle.
Dass dieser Weg schwierig sein kann, haben wir diesen Sommer bereits selbst erfahren, denn die Krippe von Calista kam mit ihrer Entwicklung nicht zurecht. Sie haben sich viel zu wenig für sie interessiert, sie waren der Auffassung, dass Inklusion nur bedeute, ein Kind mit besonderen Bedürfnissen aufzunehmen und dann gleich wie alle anderen zu behandeln. So wird man aber einem solchen Kind überhaupt nicht gerecht. Ich suchte immer wieder kleine Gespräche mit den Betreuerinnen, doch es war wenig Gegeninteresse da. Unsere Heilpädagogin besuchte dann Calista in der Krippe und sah dringenden Handlungsbedarf. Sie erkannte sofort, dass man Calista helfen musste, ihr Sätze zur Hand geben musste, wie sie sich verbal in ein Spiel integrieren kann, wie sie Kommunikation aufbauen kann etc. Calista wurde aber in der Krippe diesbezüglich komplett sich selbst überlassen, sie musste deswegen sehr viel und sehr oft Frust einstecken und begann, Spiele der anderen zu stören, kleinere Kinder zu schlagen etc. Die Krippe wollte aber die Hilfe der Heilpädagogin nicht annehmen... Zwei Wochen später, als ich Calista eine Stunde früher als sonst abholte und spontan ins Spielzimmer lief, sah ich, wie sie auf einem kleinen Stuhl fixiert war und mit dem Gesicht gegen die Wand gedreht...!! - Ich fragte sogleich, ob ich die Situation richtig verstanden habe, dass Calista zur Strafe so behandelt wurde? Ja. Sie habe ein Spiel zerstört und ein kleines Kind mit einem Spielzeug auf den Kopf gehauen. - Ich nahm Calista per sofort aus der Krippe und meldete es der Krippenleiterin (welche mir gegenüber aber vor allem entschuldigende Gründe für ihr Team suchte...). Es war ein sehr schockierendes, aufweckendes Erlebnis. Seither darf Calista zweimal pro Woche in unserem Quartiertreff in die Spielgruppe gehen. Sie wurde voll Freude und mit viel Interesse von der Leiterin aufgenommen. Unsere Heilpädagogin durfte wöchentlich kommen und Calista bei der Integration in die Gruppe unterstützen. Sie musste ihr vor allem die Sprache dazu anbieten. Es brauchte wenige Wochen, da war Calista gut in der Gruppe angekommen, sie haute nicht mehr und sie zog sich auch nicht mehr in eine Ecke zurück, wenn etwas schief lief. Calista blühte auf. In der Spielgruppe haben wir ganz tolle Menschen gefunden, die Inklusion ernst nehmen und bereit sind, ihren Teil dazu zu lernen. Es ist wunderbar! - Diese Erfahrung zeigte mir, dass Inklusion nur gelingt, wenn alle Beteiligten gut kommunizieren und zusammen arbeiten, wenn sie sich für Calista und ihrem Anderssein ernsthaft interessieren und ihre Bedürfnisse berücksichtigen. In diesen Wochen habe ich selbst auch sehr viel gelernt. Es war ein ankommen auf dem Boden der Realität. Eine Realität, die mir aber auch Mut macht und mich in meinem Vorhaben bestärkt. Trotz allen Schwierigkeiten und offenen Fragen, die noch auf uns zu kommen werden, suche ich für Calista den Weg der Inklusion.
Wer nun gerne das neue Bilderbuch "Papa Moll findet neue Freunde" haben möchte, darf bei meinem "ausnahmsweise-mache-ich-ein-Glücksspiel" mitmachen. Ich habe fünf Exemplare zu verschenken. Ich könnt mir ein Email schreiben, einen Kommentar hinter lassen, eine Sms... wie auch immer ihr einen Weg zu mir findet, gebt mir Euren Namen und ich werde Glückslose schreiben. Calista wird Fee spielen und fünf Namen aus dem Lostopf ziehen...
Herzliche Dezembergrüsse von Iren, die eigentlich noch so viele Post schreiben wollte dieses Jahr...