Donnerstag, 10. November 2011

Aufgeklärt

Ich wusste es schon seit ein paar Wochen, gar Monaten. Cosima will es langsam wissen. Und zwar genauer. Ein Mann und eine Frau müssen sich einfach fest gern haben. Konnte ich ihr nicht mehr zur Antwort geben. 

Detail von der Skupltur "Irreducible Complexity" von Andrea Hasler

Vor ein paar Monaten, wir saßen beim Mittagessen, da sagte Cosima plötzlich: A. will mit G. Sex haben. A. und G. sind zwei Mitschüler und gerade mal etwa sieben Jahre alt. Ich vergaß das Kauen und sagte: Was?! Cosima wiederholte ruhig: A. will mit G. Sex haben. Ich: Hat er das so gesagt? - Ja, Mami. Ich: Er will Sex haben? Was ist denn Sex, was meint er damit? - Ich weiß auch nicht Mami. Sag, was ist Sex? Ich: Ich denke, er will sie einfach küssen, oder? - Ja, das denke ich auch.

Und wir aßen weiter.

Vor zwei Wochen sind wir von der Geigenstunde nach Hause geradelt. Ich mit dem Velowagen, worin Thalia und Calista sassen, neben mir fuhr Cosima auf ihrem eigenen Fahrrad. Wir befanden uns auf dem Fahrradweg, neben uns Feierabendverkehr. Es begann schon einzudunkeln und unsere Finger waren klamm vom kühlen Fahrtwind. Cosima rief plötzlich zu mir rüber: Mami, ich weiss jetzt was "fick-dich" heisst! - "Fick-dich"? Was heißt es denn? Cosima stolz: Es heisst: sex-dich! Ich musste innerlich los prusten. - Sex-dich? Was meinst Du damit? rief ich ihr zu. Cosima belustig: Ja, einfach sex-dich! Ich weiss auch nicht so genau. Was ist eigentlich Sex, Mami?
Die Lichter der Autos kamen uns entgegen, ein Bus überholte uns, es war laut. Und Cosima will genau jetzt wissen, was Sex ist. Tja, ich kann ihr ja nicht einfach rüber rufen, dass es ein Haarshampoo ist. Ich kann Dir gerne erklären was Sex ist, Cosima! schrie ich ihr zu. Aber nicht jetzt!

Noch einmal davon gekommen. Zuhause war das Thema dann vergessen. Ich wusste aber, dass ist nur eine Frage der Zeit. Sie geht nun in die zweite Klasse und langsam ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich ihr mehr darüber erzählen muss. Sie hört vieles in der Schule, sie macht sich Gedanken dazu und sie will es wissen. Ich wartete aber einfach mal ab.

Heute Mittag kam sie von der Schule nach Hause und packte ein Buch aus der Bibliothek aus. Sie zeigte es zuerst Christian (der ausnahmsweise fürs Mittagessen da war) und er wendete sich verunsichert an mich: Schau mal, ist das altersgerecht? Ich lese den Titel: "Woher die kleinen Kinder kommen". Ja, das ist altersgerecht! Schönes Buch, Cosima. Ich werde es Dir heute Nachmittag erzählen.

Nun war der Zeitpunkt da, von ihr bestimmt. Sie will wissen, woher die Kinder kommen, d.h. wie sie gemacht werden. Und ich war froh, dass sie ein Buch mitgebracht hat, weil so hatte ich etwas in der Hand. 

Während Thalia am Nachmittag ihre Akrobatikstunde hatte und ich mit Cosima draußen wartete, nahm ich das Buch zur Hand und begann, mit ihr die Bilder anzuschauen und vorzulesen. Ich war dankbar, einen gedruckten Text vor mir zu haben, der extra für Kinder geschrieben war - d.h. pädagogisch korrekt. Ich brauchte nicht selbst nach Worten zu ringen, denn alles stand ja im Buch. Nach einigen Sätzen aber fand ich es total langweilig und ich begann, das geschriebene zu kommentieren und fand immer mehr zu meinen eigenen Worten, zu meiner eigenen Sprache. Ich erklärte dann ganz unabhängig vom Text wie das so geht, mit dem Kinder machen. Sie kicherte zwischendurch mal und ich auch, denn ich habe es recht humorvoll erklärt. Vor allem der Gedanke, dass sie auch schon Eier im Bauch hat, die aber noch nicht reif sind, fand sie recht befremdlich und lustig zugleich. Als ich ihr dann erklärte, wie der Samen zum Ei kommt, schaute sie mich mit neugierig funkelnden Äuglein an und fragte prompt: Und? Hast Du das mit Papa auch gemacht? - Ja, klar. - Aber ich habe das noch nie gesehen!! ruft sie empört. Ich: Nein, das hast Du noch nie gesehen. Das ist eben unsere Intimsphäre. - Aber ich will es sehen! - Das ist nur etwas zwischen Papa und mir, Cosima. Da kannst Du nicht einfach zugucken. - Aber wann macht ihr denn das? Warum habe ich das noch nie gesehen? fragt sie ganz verwundert. Ich schmunzle: Nachts, wenn Du schläfst. - Ach, darum! Darum habe ich es noch nie gesehen. Aber ich möchte es gerne einmal sehen... - Nein, das geht nicht. Wenn Du mal groß bist und einen Mann liebst, dann kannst Du das selber machen.

Die Zeit war um und Cosima musste sich umziehen für ihre Akrobatikstunde. Sie war ganz belebt von unserem Gespräch und ich war auch zufrieden. Es war witzig und sie hat es gut aufgenommen. Im Geiste sah ich schon, wie sie nun jeden Morgen zu uns ins Zimmer kommt und fragt, was wir in der Nacht gemacht haben. - Du musst jetzt aber nicht meinen, fügte ich noch an, dass wir das jede Nacht machen...

Dieses Schlusswort musste noch sein.





Es grüßt Iren, die nur darauf wartet, dass Cosima morgens zu uns ins Zimmer stürmt

2 Kommentare:

  1. Hach... sehr inspiratös für meine nächste Generation (wann immer die da sein und fragen wird)! Merci :)

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  2. Wie Iren, nicht jede Nacht? *lach* Sehr schöne Geschichte, mit J. haben wir es auch durch. Er hat mich dann eines morgens im Bad erwischt, als ich meine Tage bekommen habe und meinte: "Oh nein, schon wieder kein Baby. Du musst mal Papa sagen, er soll seinen Penis bei dir reinstecken." Dann musste ich ihm erklären, dass die Familienplanung abgeschlossen ist:)

    Ich lese dich so gerne, auch wenn ich mich selten melde...

    faba

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