Montag, 2. September 2013

Das Apfelmüesli

Eben habe ich die, von meinem Schwiegervater geerbte, Körnerpresse hervor gekramt und Dinkelflocken gemacht. Ein WOW-Erlebnis! Das erste mal seit neun Jahren, das erste mal seit wir sie besitzen, drehte ich am Hebel und "zauberte" frisch geschrotetes Korn. Und warum wartete ich so lange, warum habe ich dies nicht schon viel früher gemacht? Fragte ich mich während ich mit Leichtigkeit die Körner zu Flocken presste. Ich suche nicht weiter nach einer Antwort, denn sie ist nicht mehr relevant. Ich habe diese Körnerpresse nun für mich entdeckt und erlebte, wie schnell sie montiert und in Gebrauch ist und wie leicht ich Flocken daraus pressen kann. 

Und wie ich mit den Fingern durch das frisch geschrotete Korn fuhr und es fasziniert durch meine Hände gleiten ließ, wusste ich auch gleich, was ich nun regelmäßig wieder frühstücken werde: Ein Apfelmüesli. Davon möchte ich nun erzählen...



























Es haben natürlich schon alle von Euch ein Müsli gegessen. Ein Birchermüsli. Ein Birchermüsli mit reichlich Haferflocken, Milch und Rahm, Joghurt, Zucker, Nüssen und Früchten. So kennen wir es, so essen wir es und so lieben wir es. Und denken, dass es sehr gesund sei. Obwohl es nicht ungesund ist, so ist es bei weitem nicht so gesund, wie es sein könnte. Denn Dr. Bircher-Benner hat dieses Müesli als Diätspeise "erfunden" und es ist in seinem Originalrezept im Grundgedanken recht anders, vor allem im Mengenverhältnis. Heute in original kaum noch anzutreffen, vor allem nicht in Restaurants und als Take-away.

Ich habe von Fränzi, einer lieben Freundin und manchmal "Ersatzmutter" von mir, vor vielen Jahren ein Büchlein geschenkt bekommen. Das Bircher-Benner-Handbuch mit dem Titel "Frischsäfte, Rohkost und Früchtespeisen". Es ist ein sehr interessantes, lehrreiches Buch, das man noch HIER beziehen kann. In diesem Handbuch steht:

"Im Grunde führte Dr. Bircher-Benner mit der "Früchtediätspeise" einen alten Brauch seiner Heimat wieder ein; denn es war in obstreichen Gegenden in der Schweiz früher Sitte gewesen, kleinere Mahlzeiten, namentlich das Abendmahl, einfach aus Obst, Kornmus und Milch bestehen zu lassen, wozu oft noch Nüsse kamen. Obst-Korn-Milch, die Komponenten des "Müesli", sind ein altehrwürdiger und auch ein überaus natürlicher Dreiklang in der Diätetik, mit den Nüssen zusammen ein Vierklang. Früher allerdings wurden diese Nahrungsmittel meistens unzerkleinert gegessen oder vielmehr mit den kräftigen Zähnen zermahlen und im Innern des Körpers, statt in der Küche, untereinandergemischt.
Am Ende des 19. Jahrhunderts fand Dr. Bircher-Benner nun eine ganz andere Situation vor. Der alte Brauch war fast vergessen und das Obst, namentlich das frische, in Verruf gekommen, so dass man es zum grössten Teil in Obstwein und Schnaps verwandelte und als einen puren Luxus ansah, höchstens als Nachspeise oder Näscherei und auch dann vorzugsweise gedünstet und gezuckert zu sich nahm. Leute mit heiklem Magen hüteten sich vor frischem Obst, als wäre es Gift gewesen, und doch bedurften ja gerade sie seiner am meisten. Dr. Bircher-Benner musste also einen Weg finden, das frische Obst den Menschen wieder zu einer liebenswerten täglichen Gewohnheit zu machen, und dies nicht nur für jene relativ wenigen Menschen, die noch kräftige Zähne hatten, sondern auch für die vielen mit geschwächter Kaukraft. Das "Bircher-Müesli" war dieser Weg. Es gefiel so sehr, dass Dr. Bicher-Benners Patienten es bei sich einführten, dass Freunde und Bekannte sie nach dem Rezept fragten, und dass es so in weite Bevölkerungskreise eindrang, lange bevor die Zubereitung zum erstenmal in dem kleinen, 1924 erschienenen Buche "Früchtespeisen und Rohgemüse" eingehend beschrieben wurde. Viele Gaststätten in der Schweiz führten das "Müesli" ein. (...) Es ist wieder so etwas wie eine Nationalspeise geworden. Das Müesli ist feiner und leckerer als die alte Bauernspeise. Warum nicht? - Es ist deswegen nicht weniger gesund. Die Zusammensetzung ist nach den Kenntnissen der modernen Ernährungsphysiologie erstaunlich erfrischend, rezent und rund, indem sämtliche Nahrungsbestandteile in gutem Verhältnis darin vertreten sind. (...) Ein gutes Birchermüesli zu machen, ist zwar im Grunde nicht schwer, und doch wird es so häufig ganz verkehrt und schlecht zubereitet."

Als ich dann das Rezept las und zum ersten Mal selbst das original "Apfelmüesli" zubereitete, wusste ich beim ersten Mundvoll, dass ich in meinem Leben vorher noch nie ein echtes Birchermüesli gegessen habe. Ein neues Eßerlebis.

Im Buch geht es dann weiter:

"Das Müsli wird gut gelingen und seinen wertvollen Sinn erfüllen, wenn man folgende drei Punkte im Auge behält:

1. Man denke stets daran, dass es sich um eine Obstspeise handelt. (...) Beim Müesli ist das Obst durchaus die Hauptsache, alles andere Zutat. Man nehme also nicht mehr Haferflocken, als im Rezept angegeben ist: ein schwachgestrichener Esslöffel pro Person. Der Obstgeschmack darf in keiner Weise durch den Getreidegeschmack verdeckt werden. Das Müsli soll leicht und fruchtig sein, eine richtige Obstspeise. Der Löffel darf nicht darin aufrecht stehen bleiben!

2. Das Bircher-Müesli soll, wenn immer möglich, eine Frischspeise sein. Erstes Erfordernis ist, dass die Zubereitung immer ganz unmittelbar vor dem Essen erfolgt und dass man die Menge eher zu knapp als zu reichlich bemisst, um keine Resten zu haben. (...) Ein fixfertiges Schachtelmüesli im Schaufenster ist ein Widersinn.

3. Man beachte, dass das Müsli an den Anfang der Mahlzeit gehört und nicht ans Ende. (...) Die Frischwerte können nur am Anfang, bei frischem Appetit und nüchternem Magen, richtig zu Geltung kommen."

Seid ihr schon neugierig geworden, ja? Hier das Originalrezept:


Grundrezept für 1 Portion

1 gestr. El Haferflocken (oder Dinkelflocken,...)
3 El Wasser
1 El Zitronensaft
200g säuerlicher Apfel (das ist etwa ein grosser)
1 El Naturjoghurt (oder 1 EL Kondensmilch oder Rahm oder für Veganer ein Milchersatz)
kleine handvoll Nüsse (Baumnüsse, Haselnüsse oder auch Mandeln, vorzugsweise kurz geröstet)


Man weicht das geschrotete Korn mit 3 EL Wasser über Nacht ein, min. 12 Stunden. Wenn man feine Haferflocken kauft, ist das aber nicht mehr nötig, weil die schon anders verarbeitet sind. Aber so etwa 20-30Min einweichen ist auch da gut. Dann gibt man den Zitronensaft dazu und reibt die Äpfel mit der Bircher-Reibe (feine Reibe) rasch und kräftig dazu und mischt es gleich mit den Haferflocken. Dann gibt man den Joghurt dazu und zuletzt streut man die grob gehackten Nüsse darüber und - sofort geniessen! Hmmm...

Iren, die sich bereits auf Morgen freut.

PS: Man kann natürlich auch andere Früchte/Beeren nehmen, ich persönlich mag aber das Apfelmüsli besonders gerne. Eine andere sehr feine Version habe ich kürzlich bei Green Kitchen Stories gelesen und ausprobiert, war auch sehr lecker! Dort habe ich einfach die Menge der Haferflocken auf die empfohlene Dosis (1 gestr. EL) von Dr. Bircher-Benner reduziert: Orange-Vanilla-Overnight-Oats.

6 Kommentare:

  1. meine tägliche leibspeise:-) ich mag es auch am liebsten nach dem orginalrezept und das büchlein ist einer meiner hausschätze!
    mmmmmmmmmmm.............

    im winter wechsle ich jeweils auf warmen porridge.

    lieben gruss aus dem wunderbaren licht der abendsonne

    christina

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    1. Oh, das freut mich, dass du das täglich einverleibst ;-) Es ist wirklich köstlich! Aber im Winter ist was Warmes natürlich schon was anderes. Das Apfelmüsli ist ja ursprünglich nicht als Frühstück gedacht, sondern als Vorspeise, wie Salat heute. Daher könnte man es auch im Winter zwischendurch als Vorspeise zu einer Hauptmahlzeit servieren.

      Ja, das Büchlein birgt viele Schätze, sollte es auch wieder mehr zur Hand nehmen.

      Herzliche Morgensonnengrüsse
      Iren

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  2. Liebe Iren, ja so ist das Orginal - ich mach(t)e es am liebsten mit frisch geschlagenem Rahm, denn die Süße bekommt dem Getreidebrei recht gut! Es ist schon lange her, also müsste ich es mal wieder ansetzen :) - und gesund ist der Hafer allemal!
    HG sendet Dir
    Birgit, die mit einem Schmunzeln deinen letzten Post gelesen hat. Das kommt einem bekannt vor.

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    1. Birgit - noch eine Apfelmüsli-Kennerin! Das freut mich, dass es also doch nicht so unbekannt ist. Ich, als Schweizerin und jahrelanger Birchermüsli-Esserin habe erst als Erwachsene dieses köstliche Originalmüsli das erste Mal gegessen. Eine Entdeckung!

      Herzlich, Iren

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  3. Nun habe ich Hunger....
    Morgen früh wird es bei mir also Apfelmüsli geben!

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    1. Toll! Und dann erzählst du mir, wie es dir geschmeckt hat, ja?
      Liebe Grüsse von Iren

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