Samstag, 12. Dezember 2015

Eine kraftvolle Fotographie

Vor ein paar Tagen nahm ich ein Fotobuch des Schweizer Fotografen Hans Peter Klauser wieder zur Hand. Ich lag bereits im Bett und neben mir brannte ein kleines Nachttischlicht. Ich blätterte es durch und schaute mir die Bilder und Themen an. Klauser hat sich dem Leben gewidmet und zeigte die Menschen würdevoll in ihrem Kontext. Ob Arbeiter, Flüchtlinge, Bauern oder ganz normale Bürger. Ein sehr spannendes Dokument seiner Zeit. Plötzlich hielt ich inne und schaute mir eine Fotografie ganz genau an. Ich nahm das Buch und hielt es genauer unter das Nachttischlicht. Ist es richtig, was ich hier erkannt habe? 

Der Titel der Fotografie ist lediglich beschreibend: "Arbeiter und Angestellte warten auf den Zug, Bahnhof Winterthur, 1938"


Der Titel ist in neutraler Sprache formuliert und versprach nichts aussergewöhnliches. Wenn man sich die Menschen aber genau anschaut, dann fällt einen etwas auf, das eigentlich wie der Titel nichts aussergewöhnliches sein sollte. Und trotzdem ist es bemerkenswert!


Habt ihr's erkannt? Da steht unter den Arbeitern ganz selbstverständlich ein gut gekleideter Mann mit Down Syndrom. Er wartet auf den Zug. Wahrscheinlich hat er auch einen Arbeitstag hinter sich, wie all die anderen Herren auch. "Arbeiter und Angestellte warten auf den Zug." Mehr gibt es zu diesem Bild nicht zu sagen. Doch für mich bedeutet es wahnsinnig viel!


Haben wir doch von der UN eine Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Bemühen wir uns doch als Gesellschaft, nun die Inklusion zu leben, das heisst, die Menschen mit einer Behinderung nicht mehr auszuschliessen, sondern an unserem Leben teilhaben zu lassen. Habe ich doch selber ein solches Projekt ins Rollen gebracht, welches eine Fokusreihe zu diesem Thema in Planung hat, mit tollen Menschen u.a. aus der Film-, Radio- und Fotografiewelt, die sich daran beteiligen. Wollen wir doch möglichst viele Menschen auf jene Lebenswege sensibilisieren, die sich wegen einer Diagnose verengt haben. Und Betroffene zeigen lassen, wie sie nach ihren Möglichkeiten trotzdem mehr erreicht haben als gesellschaftlich erwartet wird, weil sie und ihr enges Umfeld Mut hatten, mehr zu wollen.

Und nun kommt an einem ganz normalen Abend, bei Nachttischlampenlicht, völlig unspektakulär, eine so kraftvolle Fotografie daher! - Genau so sollte es sein! "Arbeiter und Angestellte warten auf den Zug, Bahnhof Winterthur. 1938". Nichts anderes. Alles ist ganz normal. Ein ganz normales Bild einer ganz normalen Gesellschaft. 

Herzliche Grüsse von Iren, die genau eine solche Normalität sich von ganzem Herzen wünscht.

2 Kommentare:

  1. Das ist wirklich ein irgendwie sehr bedeutendes Bild.
    Danke fürs zeigen

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  2. Es ist ein ganz besonderes Bild!
    Ich liebe es im Bett unter meiner kl. fast dürsternen Lampe zu lesen. Heute werde ich vorm Einschlafen an Dich und dieses Bild denken!
    Ich wünsche Euch ein schönes 3.Adventwochenende
    und ... ich danke Dir für Deine Zeilen, für den Tipp
    Elisabeth

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