Freitag, 24. Januar 2014

Kommunikation

Den gestrigen Tag brauchte ich für meine seelische Rekonvaleszenz, ich musste mich wieder in den Bahnen des Alltags einfinden. Ich habe am Tag davor bereits bemerkt, wie mich die Untersuchung im Spital vor allem emotional auf eine Probe stellen wird. Dann nämlich, als ich bei einer Freundin am Telefon plötzlich in Tränen ausbrach und spürte, von wie tief unten sich dieser Schmerz den Weg noch oben gebahnt hat.

Der Operationssaal und das Vorbereitungszimmer waren gleich neben der Intensivstation B, dort, wo Calista nach der Geburt gelegen hat, dort, wo die emotionale Welle damals am höchsten war. Ich stand gestern draussen im Korridor, nachdem ich Calista, die bereits vom Dormicum sehr benommen war, hinein getragen habe und wartete auf Christian, der noch eine Minute länger bei ihr blieben durfte, bis sie definitiv eingeschlafen war (dazu durfte leider nur ein Elternteil bleiben). Da ging Dr. Dave an mir vorbei, Calista's Herzchirurg. Ich erkannte ihn erst, als mich Christian, der neben mich getreten ist, darauf hinwies. Von hinten habe ich ihn nicht erkannt. - Oh, schade, ich hätte ihm gerne die Hände geschüttelt und mich nochmals für seine grosse Arbeit damals an Calista's Herz bedankt! Aber ich wollte ihm nicht hinter her laufen, ich war unsicher, er würde uns nicht wieder erkennen. Doch es hätte ihn gefreut, dennoch ein Kompliment über seine Arbeit zu bekommen.

Wir gingen rüber, in die Mensa. Es war beinahe halb zwei und wir haben seit morgen früh nichts gegessen. Aus Solidarität zu Calista, die nüchtern bleiben musste. Wie ich in der Mensa vor den Menüs stand und mir das Mittagessen aussuchte, da schaute ich kurz nach rechts, zu den Sandwiches und Salaten und erschrak fast, weil Dr. Dave ein Meter neben mir stand und sich gleich ein Brötchen langte. Jetzt, sprich ihn an! Befahl eine innere Stimme mir. Aber ich blieb stumm, ich unternahm nicht einmal den Versuch, den Mund zu öffnen. Ich wusste, ich werde sofort wieder zu weinen beginnen. Die Vergangenheit war wieder so lebendig. Weinen wollte ich nicht. Ich wollte nicht unter Tränen mit ihm sprechen. Also liess ich ihn, zum zweiten Mal, an mir vorbei gehen, als würden wir uns nicht kennen, als hätte er nie eine grosse Rolle in unserem Leben gespielt. Aber nun sitze ich da und denke immer wieder an diesen Moment zurück, wie ich ihm nochmals die Hand hätte drücken und meine Freude und Dankbarkeit zeigen können. Manchmal, da fehlt mir im richtigen Moment den Mut, das zu kommunizieren, was mein Herz mir befiehlt. Schade.

Mangelnde Kommunikation innerhalb des (sehr netten) Spitalpersonals, das ist mir bei dieser Untersuchung von Calista aufgefallen. Pflegerinnen, die das Gewicht und die Grösse von Calista nehmen und aufschreiben, dann die Narkoseärztin, die eine halbe Stunde später alles wieder neu wissen will, die nach Unterlagen zum Herz fragt, die der Spital aber bereits im Dezember von unserer Kardiologin angefordert hat. Unsicherheit nach der OP, ob nun Calista die Endokarditisprophylaxe braucht oder nicht, hin und her, Telefonate ins andere Spital, dann doch die Prophylaxe. (Klar, die braucht sie, das ist für sie lebenswichtig!) Dann Unsicherheit über Austritt, Telefonate hin und her ob sie nun doch noch bleiben muss wegen weiterer Endokarditisprophylaxe. Kein Austrittsgespräch mit dem Gastroenterologe, der die Untersuchung machte, nur die Stationsärztin, die aber wenig wusste. Ich bitte sie noch, mir die OP-Bilder, die Histologie und den genauen Bericht auch zukommen zu lassen, denn mein Vater, der auch Gastroenterologie ist, möchte die Dokumente gerne einsehen. Sie sagte ja klar, zögerte kurz und meinte, sie müsse es sich aufschreiben, weil oben im Büro niemand mehr sei. - Danke, auf Wiedersehen!

Heute morgen, ich war überzeugt dass die Ärztin diese Bitte von mir vergass, rief ich selbst auf dem Sekretariat der Gastroenterologie an. Die Dame am Telefon wussten nichts davon, dass ich die gesamten Unterlagen wünsche, war aber sehr hilfsbereit. Sie teilte mir auch mit, dass wir nächste Woche einen Telefontermin mit dem Assistenzarzt haben werden. Telefontermin? Beim Austritt erzählte man uns von einem persönlichen Gespräch... - Hat man ihnen das gesagt?! Sie wünschen ein persönliches Gespräch? - Ja, gerne, mein Mann und ich wollen beide dabei sein. - Ok, dann schauen wir mal. Der Assistenzarzt wird nur noch bis März bei uns sein, ich gebe ihnen einen anderen. - Einen anderen Assistenzarzt? Wer hat denn die Magenspiegelung vorgenommen? - Der Oberarzt. - Wir hatten mit dem Oberarzt kein Austrittsgespräch, obwohl es vorgesehen war, ist es möglich, ihn noch zu sehen? - Ja, sie können das Gespräch mit dem Oberarzt machen. Nächsten Dienstagnachmittag, passt ihnen das? - Ja. Vielen Dank! Wir einigen uns auf die Zeit und darauf, dass ich alle Unterlagen am Dienstag persönlich erhalten werde. Wie ich das Telefon beendete, war ich glücklich, angerufen zu haben.

Und ich denke: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation! Es ist so wichtig, mit den Mitmenschen zu reden. Sich nicht zu scheuen, seine Wünsche und Bedürfnisse zu äussern. Aber genauso wichtig finde ich es, seine Freude und Dankbarkeit zu zeigen. Sich mitzuteilen, verbal, mit Kopf und Herz.

Herzliche Grüsse von Iren-Hasenherz, die nun Dr. Dave eine Karte schicken wird, um ihre Dankbarkeit doch noch zeigen zu können.

Diese Marzipan-Käferchen machte ich kürzlich mit Calista und verteilte sie am Rundgespräch unserem Kinderarzt und den Therapeutinnen. 

9 Kommentare:

  1. ja Dankbarkeit zu zeigen und auszudrücken braucht Mut un Überwindung aber mit Worten auf einer Karte sich zu bedanken ist ein schöner Weg um jemandem sein Dank auszusprechen ich wünsche euch alles gute .lg galina

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  2. zum Thema Kommunikation schicke ich Dir eine Geschichte, die ich in meinem Blog veröffenticht hatte:

    Großer Aufruhr im Wald!

    Es geht das Gerücht um, der Bär habe eine Todesliste. Alle fragen sich, wer denn nun da drauf steht.
    Als erster nimmt der Hirsch allen Mut zusammen. Es geht zum Bären und fragt ihn: "Sag mal Bär, steh ich auch auf deiner Liste?"
    "Ja", sagt der Bär "auch dein Name steht auf der Liste."
    Voller Angst dreht sich der Hirsch um und geht. Und wirklich, nach zwei Tagen wird er tot aufgefunden. Die Angst bei den Waldbewohnern steigt immer mehr und die Gerüchteküche um die Frage, wer denn nun auf der Liste steht, brodelt.
    Der Keiler ist der nächste, dem der Geduldsfaden reißt und der den Bär aufsucht, um ihn zu fragen, ob er auch auf der Liste steht.
    "Ja", antwortet der Bär, "auch du stehst auf der Liste." Verängstigt verabschiedet sich der Keiler vom Bären. Und auch ihn findet man nach zwei Tagen tot auf.
    Nun bricht die Panik bei den Waldbewohnern vollends aus. Nur der Hase traut sich noch, den Bären aufzusuchen.
    "Bär, stehe ich auch auf der Liste?"
    "Ja, auch du stehst auf der Liste."
    "Kannst du mich da streichen?"
    "Na klar, kein Problem!"

    Kommunikation ist eben alles !

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    1. Oh, Oona, diese Geschichte ist wunderbar!! Vielen Dank, dass du sie hier geteilt hast!

      Hab einen guten Wochenstart und sei herzlichst gegrüsst
      iren

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  3. Wieder so ein ehrlicher, reflektierter und weiser Post, danke dafür. Ich kann deine Gedanken und Gefühle gut nachvollziehen, habe ich doch an jedem Arbeitstag Menschen vor mir stehen, die aus dem Spital kommen und eben nicht vollständig informiert worden sind. Da hilft nur nachfragen und keine Scheu davor zu haben... Gar nicht so einfach manchmal. Ich wünsche dir, dass du dich von diesem aufwühlenden Spitalbesuch bald ein wenig erholt hast. Die Dank-Karte wird sicher Freude machen!
    Alles Liebe, Katharina

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  4. Hallo Iren! Das Käferchen ist eine ganz nette Geste! Du hast eine wundervolle Art mit deinen Kindern umzugehen. Und die Gabe dich voll in sie einzufühlen. Danke für deine kreativen Ideen und die vielen netten, lustigen und motivierenden Anregungen die Welt für Kinder und Erwachsene bunt und fröhlich zu gestalten! Es sind die kleinen Dinge im Leben, die das große Glück ausmachen! Alles Liebe Nina

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  5. alles Liebe und ein schönes Wochenende liebe Iren.
    Ein guter Post, Du schaust so fein hin. Die Karte wird bestimmt Freude machen!
    Elisabeth

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  6. Liebe Iren,

    ich erlebe gerade selbst, dass es mit der Kommunikation manchmal gar n icht so einfach ist,
    sei es der mangelnde Mut, sei es Unorganisiertheit, den rechten Moment nicht finden,...

    Liebe Grüße
    Nula

    PS. Die Karte ist eine schöne Idee. Und ich wünsche euch ein gutes Gespräch am Dienstag.

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  7. Ich kenne das ganz gut mit dem fehlenden Mut zur Kommunikation von mir selbst und ärgere mich im Nachhinein immer ein wenig über mich.
    Die Käferkärtchen sind ja wirklich im wahrsten Sinne des Wortes sehr süss :-)
    Ganz liebi grüäss, anja

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  8. Meine Güte, das mit der Spitalkommunikation (bzw. -misskommunikation) klingt ja echt haaresträubend. Ich wünsche dir und deiner Familie viel Kraft auf eurem weiteren Weg! Und nur nicht den Mut verlieren - sollte jemals jemand Unverständnis zeigen einfach mal etwas Metakommunikation heraus kramen und sagen, dass man sich nicht ernst genommen oder verstanden fühlt. Das ist sachlich und holt die meisten Menschen zurück auf den Boden der Tatsachen. Kommt schon gut! Alles Gute! =D

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