Dienstag, 24. April 2012

Slow

Das Buch Slow travelling des Schweizers Rudolph Jula habe ich mir auf die Wunschliste gesetzt. Er beschreibt acht grosse Reisen in den nahen Osten auf Land- und Wasserwegen. Wie zum Beispiel nach Damaskus, Teheran, Aleppo und Kario. Stationen, die auch Christians Gross- und Urgrosseltern mit ihrem Leben geprägt und Familiengeschichte geschrieben haben. Sind sie doch als Armenier aus ihrem Land vertrieben worden und haben über Generationen hinweg immer wieder versucht, an einem neuen Ort sesshaft zu werden, ihr Glück zu versuchen. 

Politische und religiöse Umstände, aber auch Krankheit innerhalb der Familie liess sie stets wieder zu neuen Ufern aufbrechen. Bewegende Memoiren hat sein Vater hinterlassen, die wir unseren Kindern später einmal vorlesen werden.

Kleinere, orientalische Memoiren gibt es auch aus meiner Familie. Vor vielen Jahren hat mein Großonkel seine Geschichte der Limmattaler Zeitung erzählt, die daraus eine kleine Reihe druckte. Es ging um die Zeit in den dreissiger Jahren, in der er mit seinem Bruder auswanderte und in Bagdad eine Konfiserie eröffnete. Sie hatten schnell großen Erfolg und belieferten sogar das damalige Königshaus. Sie brauchten Unterstützung und schrieben ihrer Schwester, sie möge bitte rasch kommen und ihnen unter die Arme greifen. So ist meine Großmutter, als 23jährige Frau im Jahr 1938 alleine (!) über die Landwege nach Bagdad gereist. Ich finde dies heute eine unglaublich mutige Tat, sich als junge Frau für ein solches Abenteuer zu entscheiden. Es war keine friedliche Zeit dort, zwischen 1936 und 1941 gab es vier Militärputschs und der König Ghazi I. starb 1939 an einem Autounfall. Meine Großmutter kriegte in dieser Zeit viele Liebesbriefe aus der Schweiz von einem jungen Arzt, der sich sorgte, dass sie als schöne junge Frau mit blonden Locken und blauen Augen in Bagdad zu viele Verehrer um sich herum habe. Als er ihr dann in letzter Verzweiflung einen Verlobungsring schickte, nahm sie den Antrag an. Sie fuhr 1940 auf Landwegen wieder zurück in die Schweiz, als bereits der 2. Weltkrieg ausgebrochen ist. Im Frühling 1942 kam mein Vater zur Welt, das erste von elf Kindern.

Meine Großmutter war eine phantastische Köchin, die gekonnt mit fremdländischen Gewürzen umgehen konnte. Und natürlich waren ihre Backkünste unschlagbar... Wenn ich meine handgeschriebenen Blätter hervor hole und nach ihren Rezepten backe, denke ich oft an diese abenteuerliche Reise von ihr. 

Auf Landwegen reisen ist um vieles spannender und prägender. Das sind auch meine eigenen schönsten Reisen, an die ich mich gerne erinnere: Mit der transsibirischen Eisenbahn von Moskau durch die Mongolei nach Peking, mit dem Schiff auf dem sibirischen Fluss Jenissej von Dudinka, dem hohen Norden, nach Krasnojarsk, in den sibirischen Süden, mit dem Auto nach Paris und quer durch Frankreich, mit dem Schiff von Helsinki nach Stockholm, mit dem Fahrrad quer durch Holland und meine ersten Lebenserinnerungen begannen auf einer solchen Reise: mit dem Auto von Bern nach London, als ich drei Jahre alt war. 
Slow travelling. Rudolph Jula schreibt in seinem Buch: "Eine Reise ist das, was zwischen zwei Flughäfen liegt." Ich liebe diesen Satz. Da liegt so viel potentielle Poesie drin; schauen, hören, fragen, staunen, begegnen, schmecken und entdecken. Wie reich!

Für solche Reisen haben wir uns auch wieder entschieden. Slow travelling. Wir haben vor Ostern einen alten VW Bus gekauft.



Christian hat schon lange davon geträumt, hat er doch als zwanzig Jähriger mit einem solchen Bus tolle Surf-Ferien verbracht und süße Erinnerungen davon. Ich war die, welche immer abwinkte. Wir haben jetzt eine Familie, du bist doch kein Student mehr! Aber irgendwann begriff ich, dass man Träume leben muss, wenn es irgendwie geht. Auch die meines Mannes. Und so kam auch von meiner Seite die Lust, als Familie solche VW Bus Ferien zu erleben.
Nun sind wir dabei, neue Vorhänge zu nähen, kleine Reparaturen auszuführen und den Bus für uns startklar zu machen. Kleine Pfannen kaufen und Küchenutensilien, Campingstühle und Tischlein. Und ihr erratet es, weshalb wir am Ostermontag dringend noch in die Ikea mussten :-). An Pfingsten planen wir unsere erste kleine Reise innerhalb der Schweiz, um dann für die Sommerferien für ein längeres Abenteuer in Europa bereit zu sein. Die Vorfreude ist gross!

Vergangenen Sonntag machten wir den allerersten Ausflug. Wir sind mit dem Bus an einen kleinen See gefahren und haben dort Spaghetti gekocht. 


Ich kann euch sagen, es waren bestimmt die besten Spaghetti die wir je in unserem Leben gegessen haben...! Mit der eigenen Familie in einem kleinen Büslein zu sitzen, draußen hagelt es gerade und jeder mampft vor sich hin, strahlend vor Aufregung - das war ein spezielles Erlebnis. Es hagelte nur kurz, auch die Sonne schien und Regen hatten wir ein bisschen. Die Kinder spielten am schlammigen Ufer und waren überhaupt nicht passend angezogen, weil sie nie Hosen tragen wollen... Sie vergaßen alles um sich herum und entdeckten glücklich ihre Umgebung. 



Ich freue mich, auf viele Momente voll des Lebens, die wir mit diesem Bus in Zukunft erleben dürfen.


Auf dem Heimweg hielten wir kurz an um Löwenzahn zu sammeln. Bei Mamas Kram sah ich ein Rezept für Löwenzahngelée und ich bekam große Lust, auch sowas zu versuchen. Ich entschied mich aber für Löwenzahnhonig (Chrottepötsche Hung). 
Mein erster Versuch ist mir total misslungen. Ich habe beim Einkochen des Honigs die Zeit vergessen und fand nach Stunden nur noch eine eingebrannte, dicke Masse vor...






Ich werde es nochmals versuchen, vielleicht auch den Gelee.
Herzlich, iren

PS: Genau heute vor einem Jahr haben wir Calista in Frankreich getauft. Es war eines der schönsten Feste,die ich mit meiner ganzen Familie erleben durfte. Dankbar denke ich daran zurück und wir werden ihre Taufkerze wieder anzünden, heute Abend. 

16 Kommentare:

  1. So ein schöner Post und einfach tolle Fotos! Ich finde solche Reisen auch am allerallerschönsten!
    Wir haben auch einen VW-Bus, aber ich weiss nicht, ob wir zu fünft solche Reisen wagen werden... Ich bin höchst gespannt auf eure Reiseerfahrung an Pfingsten und in den Sommerferien! Ganz liebi grüäss, anja
    P.S. Ich finde es wunderbar, dass ihr euren Träumen einen Raum zur Erfüllung gebt.

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    1. Toll, ihr habt auch so einen Bus! Wir sind auch zu fünft - und versuchen es nun... Werde berichten...

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  2. Ich bin nun von Deinem Post total ergriffen und sprachlos.
    Ich finde Euch, besonders Dich .... so wunderbar!
    alles Liebe und ich bin neugierig auf das was Ihr erlebt....
    Elisabeth

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  3. Einfach alles nur wunderbar. Du machst wirklich sprachlos! Was für ein Traum, der da Erfüllung geht. Stell dir vor, was deine Kinder da nachher für Geschichten von erzählen können... :-)
    Und die Geschichte deiner Großmutter, Wahnsinn, was für eine tolle Frau!
    Ich bin ganz erfüllt von allem was du heute erzählt hast. Danke!
    Liebe Grüße,
    Gesche

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  4. Wie wundervoll und welch wunderbare Familiengeschichte euch da trägt! Wir unternehmen jedes Jahr (mit wachsender Kinderzahl *grins*) die Fahrt in die Heimat meines Mannes, 1500km eine Strecke. Mit den vielen Klo-, Ess-, Schau-, Bewunder- und Aussichtgenießpausen brauchen wir dafür eine ganze Weile, der Begriff Slow Travelling passt da ja wunderbar ;)
    Alles LIebe und noch ganz viel Freude mit dem Bus (wir haben seit November auch einen und ich geb ihn nie wieder her - das ist fast ein bisschen wie Urlaub, auch wenn es keine lange Strecke ist) :)
    maria

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    1. Ihr auch, seid ihr Busfahrer geworden ;-) Wir können ja anfangen, die besten Camping- bzw. Schlafplätze auszutauschen...

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  5. Liebe Iren,

    wunderbar.. Du hast wieder so schön geschrieben.. ich fühlte mich, als wäre ich dabei gewesen!
    Was für eine faszinierende Familiengeschichte. Danke, dass Du uns daran teilhaben läßt!
    Dein Post macht mir Mut auch meine Träume in Erfüllung gehen zu lassen und nicht immer nur darüber zu philosophieren und die Für- und Widerargumente aufzuzählen.
    Ich bin schon sehr neugierig auf Eure 1. weitere Reise mit dem Bus an Pfingsten.
    Herzliche Grüße aus Heidelberg
    Alexandra

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  6. Viel Spass mit Eurem VW-Bus! Wir hatten einen tollen, knall-orangen für mehrere Jahre, als ich noch in der Schweiz lebte. Wir unternahmen viele wunderbar-langsame Reisen damit :-)! Und je mehr man selber daran herumbastelt, desto mehr wächst einem ein solch herrliches Gefährt ans Herzen!
    Liebe Grüsse
    Anita

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    1. Ja, das mit dem Herumbasteln finde ich auch, deshalb will ich unbedingt die Vorhänge nähen. Das ist so der Klassiker, nicht? ;-)

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  7. Ein wunderschöner Post, Iren. Eure Lebensfreude ist mir echt immer wieder Vorbild. Danke! Herzlich, Marianne

    PS:..und so ein Nachthemd schenk ich meinem Mann auch, grins.. ;-)))!!

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  8. Ich bin gerade viel zu gerührt und berührt, um zu schreiben was mir dazu alles einfällt.

    Grüße aus dem sehr aprilhaften Bremen
    Oona

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  9. Ich danke Euch allen für Eure Worte - ihr gebt mir viel zurück... und wenn ich mit diesem Post Eure eigene Träume aus dem Dornröschenschlaf wach küssen konnte, dann bin ich sehr glücklich!

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  10. Ein wunderschöner, berührender Post mit so schönen Bildern. Hätte mich das nie getraut mit den Kindern im Bus auf Reisen zu gehen (und jetzt sind sie groß :-)). Freue mich übrigens über jeden Blogpost und lese begeistert mit, auch wenn ich nur selten kommentiere. Wünsche einen wunderschönen Wonnemonat
    Andrea

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    1. Na, vielleicht mit den Enkelkindern dann mal ein Abenteuer in dieser Richtung ;-)) Man ist nie zu alt, oder? Bei uns waren es auch die Kinder, die immer wieder fragten, ob wir mal einen Campingbus mieten würden...

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