Dienstag, 3. Juli 2012

Wir stehen nicht im Regen

Sobald man weiß, dass man ein besonderes Kind erwartet oder bereits in den Armen hält, kommt auch rasch die Angst: Was denken die Anderen? Werden wir so noch akzeptiert oder eher freundlich gemieden? Lassen uns die Mitmenschen nun im Regen stehen?


Diese Gefühle kennen letztendlich alle, besonderes Kind hin oder her. Sie schüchtern uns ein und machen uns schwach und zaghaft. Aber was die Anderen tatsächlich denken, ist meistens nie das, was wir in sie hinein projizieren. Es ist also total müßig, unsere Kraft und Energie darauf zu verschwenden, heraus zu finden, was in den Köpfen der Andren vorgeht. Und es soll uns auch nicht beeinflussen. Diesen Regenmantel müssen wir uns anziehen.


Ich stehe öffentlich zu Calista und schäme mich keine Sekunde für sie, im Gegenteil sogar, ich bin stolz auf sie! Und ich habe bis anhin kein einziges negatives Feedback erhalten. Meistens sind die Menschen anfangs kurz unsicher, doch sobald sie merken, dass ich Calista ganz normal behandle und sie genau so mein Herzenskind ist wie die anderen, dann weicht ihre Unsicherheit rasch zu freundlicher Zuneigung. Die meisten wollen gerne mit Calista in Kontakt kommen, einige wünschen es sogar, so ein besonderes Kindchen mal in den Armen halten zu dürfen. Calista ist verwöhnt von positiver Resonanz und Zuneigung.

Gerade heute fand ich ein paar Zeilen bei mir im Briefkasten von einer Frau, die in unserer Nähe wohnt. Mit ihr hatte ich letzte Woche, sozusagen beruflich, kurzen Kontakt. Sie und ihren Mann, mein Vater und ich mussten Baupläne (nein, ich baue nicht ;-)) gemeinsam besprechen und ich hatte Calista dabei, die das Büro ein bisschen auf den Kopf stellte. Heute hielt ich also eine Karte von ihr in der Hand mit folgendem Wortlaut:

"Seit dem Treffen in unserem Büro bin ich immer noch tief beeindruckt von Ihrer außergewöhnlichen Tochter. Sie in den Armen zu halten, ihre Hingabe spüren zu dürfen hat mich nachhaltig berührt. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder."

Es war ein spezielles Geschenk, diese Worte zu erhalten und sie haben mich wiederum sehr berührt. 

Weshalb haben wir immer Angst, was die Anderen denken? Wovor fürchten wir uns eigentlich?

Nein, wir sind nicht im Regen stehen gelassen worden, denn wir haben auch keine Angst mehr davor.

 

Danke dir, meine Calista. x

22 Kommentare:

  1. Das ist wunderschön geschrieben....

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  2. Du hast es wirklich wunderschön geschrieben,
    und ich kann mich deinen Zeilen nur anschließen. Bislang hab ich auch so gut wie nur positive Ressounance in Bezug auf Jerry... anfangs sind manche unsicher, aber wenn sie merken das ich normal mit ihm umgehe, gehen sie es ganz schnell auch...

    Von vielen höre ich, von sogenannten "angestarrt werden" oder " seltsamen blicken" . ich weiß nicht, dem kann ich mich nicht anschließen. Ich sehe solche blicke nicht.. aber vielleicht blende ich sie auch nur unbewusst aus!?

    Liebste Grüße
    Nike

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    1. Liebe Nike, ich denke auch, dass man viel durch das eigene Verhalten dazu beisteuern kann, wie die Umwelt auf uns reagiert. Das mit dem "angestarrt werden" kenne ich auch nicht. Ich schaue auch nicht detektivisch herum und spüre Blicke auf. Ich nehme natürlich schon auch wahr, wenn die Menschen gucken, doch ich finde das total normal. Ich selber gucke ja auch, wenn etwas speziell ist. Wenn ich Blicke spüre, nehme ich die nie negativ, sondern einfach als Interesse. Das ist doch super, wenn die Menschen neugierig schauen und merken, dass ein Kind mit DS auch geliebt wird und ein ganz normales Umfeld hat.
      Seid du und Jerry herzlich gegrüsst! Iren

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  3. liebe iren

    danke dir für dieses post!
    du hast mein herz berührt......
    genau so habe ich es mit enea auch erlebt ud darf ich diese wunderbaren erfahrungen immer wieder von neuem erleben.
    lieben feriengruss von der ostsee
    christina

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    1. Ferien an der Ostsee - toll, geniesst es!
      Diese speziellen Menschlein sind eben wirklich speziell...

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  4. "Diesen Regenmantel müssen wir uns anziehen..." Du findest immer so schön poetische Worte, welche voller Wahrheit stecken und mich nachdenklich zurück lassen. Danke dafür! Ganz liebi grüäss, anja

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    1. Danke und sei auch ganz herzlich gegrüsst, aus der Nähe ;-) !

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  5. Wow, Iren, das ist ja wirklich ein ganz besonderes Geschenk an euch. Sehr berührend und so liebevoll von der Dame!

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    1. Es reagieren nicht alle Menschen so offen und achtsam - es war wirklich ein Geschenk für mich, diese Worte zu erhalten!

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  6. "Regen" hat ja viele Ursachen und so vielfältige Vor- und Nachteile.

    Ich glaube, dass es ein unterschiedlich langer Weg jedes einzelnen Menschens ist, die Dinge oder das Leben oder einen Menschen so anzunehmen wie er ist.
    Regen ist Nahrung. Erfrischung. Leben.

    Der "Regen" kann abperlen, wenn eine sich freiwillig und gern den bunten Regenmantel-Schutz anzieht. Dabei stellt eine irgendwann fest: Es regnet nur selten!

    Es wird immer Menschen geben, die mit besonderen Menschen-Kindern nicht umgehen können. Ich nehme mich da nicht aus, denn es ist menschlich. Bei mir ist es eine anfängliche Scheu oder Unsicherheit.
    Etwas "gut gemeintes" und doch "falsches" zu machen oder zu sagen.

    Wann bekomme ich in meinem Alltag schon Kontakt mit besonderen Menschen? Mit Kindern mit DS? Hier im Internet kann eine sich von Blog zu Blog hangeln. Ich sehe (!) schon so selten Kinder mit Behinderungen.

    Es ist so erfreulich, dass Du gute Dinge berichten kannst, wie Dein / eurer Leben mit Calista verläuft. Welche ein Sonnenschein sie ist und das Menschen nach anfänglichem (und wie ich finde doch meistens menschlichem) zögern, dann ganz diesem kleinen Mädchen zugetan sind. Berührt werden. Nachhaltig. Neue Sichtweisen gewinnen.

    ****

    Ich bin sehr gespannt, wenn ich die Ausbildung am 5.9. zur (ehrenamtlichen) Kinderhospizlerin beginne. Was sich in meinem Inneren tut. Wie ich reagiere. Wo ist Offenheit und wo sind meine Grenzen.
    Es gibt dort auch Kinder mit DS und weiterer Erkrankungen, die ihr Leben verkürzen.

    Ich habe in mir das Gefühl, dass es ein schöner, vielleicht schwerer und intensiver Prozeß sein wird ... und während der 9 Monate (!) kann ich mich auf meine Zeit bei einer Familie mit einem sterbenskranken Kind einstellen.

    Und immer im inneren Hintergrund ist Ina mit dabei.
    Sie gibt mir Kraft, Mut und das Wissen, dass Liebe unendlich ist.
    Das es häufig reicht einfach nur DA zu SEIN.

    Herzlichst
    Oona

    manchmal auch Regenmantel-Halterin :O)

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    1. Liebe Oona, ja, du wirst sicher auf deinem Blog über deine Ausbildung berichten, oder? Bin auch gespannt!

      Du bist ein sehr gedankenvoller, sensibler Mensch und vor allem offen und unvoreingenommen dem Leben gegenüber, das finde ich toll!

      Ich habe kein Problem damit, wenn andere Menschen mit Calista Mühe haben, ich nehme das nicht persönlich. Das hat mit mir und meinem Kind nichts zu tun und braucht mich deshalb nicht zu beschäftigen. Ich habe auch kein Bedürfnis, Don Quichotte zu spielen und die Welt verändern zu wollen. ;-) Aber wie gesagt, ich habe bisher keine negative Reaktion bekommen...

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    2. Ich weiß noch nicht, wie ich mein Erleben und die Ausbildung in Worte fassen kann hier auf dem Blog. Diese Zeit ist ein Teil meines Lebens und ich würde es gern aufschreiben und teilen. Das was mich betrifft. Doch ich unterliege der Schweigepflicht (was sich ja eh von allein versteht) und kann nur über mich ganz persönlich schreiben. Ob das geht, weiß ich nicht.
      Es gibt einen Abend zum Thema "Kinderbücher". Ich denke darüber kann ich schreiben. Vielleicht auch über die "Erkrankungsbilder", die öffentlich nachzulesen sind.

      **
      Die Welt sollen andere retten.
      Aber mit deiner Familie und mit deinem Weg machst Du / ihr die WElt auf jeden Fall schöner und reicher.
      Ich hoffe, ich darf das so schreiben.

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    3. Ich meine natürlich auf meinem Blog... tsttsss.. :O)

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  7. danke dir für diesen tollen Post - so liebevoll und wahr geschrieben

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  8. Deine Worte haben mich sehr berührt ... ich neige selbst oft dazu, unnötig viel darüber nachzudenken, was andere denken könnten. Ich glaube, ich werde absofort immer das Bild eines Regenmantels vor Augen haben und wie schön es doch ist und Sapß macht, durch Pfützen zu hüpfen ;-)
    Schön, dass ihr so liebevolle Reaktionen bekommt!
    Liebe Grüße,
    Miriam

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    1. Ja gell, Regen und Regenpfützen können unglaublich Spass machen! Sofern eine warme Schokolade und trockene Kleider nicht allzu weit weg sind... ;-)

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  9. Oh ja, so einen Regenmantel habe ich auch, der funktioniert ganz wunderbar, alles perlt ab und doch ist er selbst farbenfroh und auffällig. Da macht es keinen Unterschied, ob ich mit meiner Familie unterwegs bin in der jeder eine andere Hautfarbe hat, oder mit einem der Menschen mit Behinderung mit denen ich arbeite, von denen manche wirklich enorm auffällig sind (und kein bisschen süß wie Calista). Man kann sich wirklich so einen Regenmantel anziehen und im Grunde ist man damit automatisch eine Art Don Quichotte wenn andere Menschen wahrnehmen, dass man auch mit jemandem der aus der Norm fällt normal umgehen kann. Das reicht doch manchmal schon, gell ;-)
    Liebe Grüße,
    Gesche

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    1. Liebe Gesche - Ich kann mir gut denken, dass du dir auch schon lange einen bunten Regenmantel angezogen hast! Und dass Du Dich wohl fühlst dabei. So wie Du durch deinen Blog wirkst, bist du ein entspannter, freudvoller Mensch der stark genug ist, auch mal gegen den Strom zu schwimmen. Und so gesehen hast du Recht, man wird automatisch eine Art Don Quichotte... aber kein reinrassiger, sondern eine Kreuzung mit Gandhi ;-) d.h. das kämpferische ist weg, der neue Don Quichotte verändert die Welt friedlich, langsam und stetig, ohne unnütze Kraftverschwendung.

      Herzliche Grüsse für ein fried- und freudvolles Wochenende, iren

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  10. es ist wunderbar auf positive Menschen zu treffen und nicht im Regen stehen gelassen zu werden.

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    1. So ist es! Und ganz nach dem Motto: Lache und die Welt und sie lacht zurück...

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