Mittwoch, 18. Mai 2011

Die Hand der Fatima

Wir haben auf Stühlen im Kreis gesessen, der Kinderarzt, seine Assistentin, die Physiotherapeutin, die Früherzieherin, mein Mann und ich. Calista spielte am Boden, in der Mitte von uns, und fühlte sich sehr wohl. Sie kennt uns alle, sie sieht uns alle regelmäßig und sie spürt, wir sind für sie da. 


Wir freuten uns alle an diesem Abend gemeinsam an ihr, an ihrer guten Entwicklung, an ihrer Gesundheit und ihrem Eifer, die Welt zu erobern. Sie ist mit speziellen Bedürfnissen zu uns gekommen und braucht mehr Unterstützung, Begleitung und Geduld. Aber - sie ist gut unterwegs.


Wie haben ein Jahr mit viel Anspannung und gesundheitlicher Verantwortung für Calista hinter uns. Mit Sorgen und Ängsten um ihr Herz, um ihre Ernährungssonde und mit dem Wunsch, ein ganz normales Baby in den Armen halten und einen ganz normalen Tagesablauf haben zu können. Ohne medizinische Probleme. (In einem späteren Post werde ich noch erzählen, wie wir die Ernährungssonde los geworden sind.)


Die Kommentare aller Beteiligten am vergangenen Montag ergaben zusammen ein schönes Bild über Calista's Zustand. Der Kinderarzt meinte, sie strotze vor Gesundheit! Wir lächelten alle zu Calista auf den Boden und schauten ihr zu, wie sie fröhlich Steine aneinander schlug, vertieft große Holzperlen auf eine Schnur aufzureihen versuchte, sich flink an den Stühlen empor zog und sorglos auf dem Boden herum wälzte. Auch wenn ihre Entwicklung den normalen Kindern hinter her hinkt, auch wenn wir nicht genau wissen, was ihre Zukunft sein wird, machte ihre Präsenz uns fröhlich.


Einmal mehr wurde mir bewusst, wie wichtig es ist im Leben, gute Menschen um einen zu haben. Menschen, die Calista ins Herz schließen, die sich für sie interessieren, sie akzeptieren und annehmen, genau so, wie sie ist. 


Bis heute sind wir niemandem begegnet, der negativ auf Calista reagiert hat. Großeltern, Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen, die Patin und der Pate, unsere Freunde und Nachbarn haben Calista von der ersten Minute an willkommen geheißen und sie sofort in ihre Mitte genommen. Sie alle sehen ihre Lebensfreude, ihr süßes Lächeln, ihre liebliche Ausstrahlung, ihren Schalk und sie alle sehen sie mit dem Herzen. Wir sind sehr dankbar über diese, uns so unglaublich wichtige, Unterstützung. Es ginge uns nicht so gut, wenn wir spürten, dass Calista von Menschen, die uns wichtig sind, abgelehnt würde. Und ich möchte von Herzen Euch allen dafür danken, ihr seid alle wunderbar und unersetzlich! So, wie Calista von Euch angenommen und als das gesehen wird, was sie ist - nämlich genau so perfekt wie alle anderen Kinder - so wünschen wir uns, dass noch viele andere Menschen Calista so sehen können. Und mit ihr natürlich auch alle anderen Kinder mit Down Syndrom.


Ja, uns geht es gut. Wir schauen zurück und sehen uns den Weg an, den wir bis jetzt gegangen sind. Und wir sind froh und dankbar für alles, was wir in den letzten 16 Monaten erlebt haben. Die Erfahrungen mit Calista haben mein Leben verändert, grundlegend und für immer. Ich habe mehr Vertrauen in meinen Instinkt gefunden, ich habe die Augen weiter geöffnet für die kleinen Glückseligkeiten im Alltag und vor allem ist mein Herz gewachsen mit der bedingungslosen Liebe, die Calista von einem abverlangt. - Die Liebe, jedes Kind auf dieser Welt braucht.



Es gibt sie noch, aber selten, die Tage wo ich verunsichert, energielos und traurig bin. Wo ich mir vor allem Gedanken um Calista's Zukunft mache und mir überlege, ob sie noch etwas braucht, was sie noch nicht hat. Ich lese Bücher, recherchiere im Internet, tausche mich mit anderen Eltern aus, denke nach und suche nach eigenen Wegen. Gleichzeitig will ich nicht meine ganze Energie auf therapeutische Maßnahmen von Calista lenken. Ich will sie unbewusst nicht unter Druck setzten und ihr das Gefühl geben, dass ihre Art, wie sie ist, ungenügend ist. Und sehr wichtig - wir haben noch zwei größere Mädchen, die unsere Liebe, Aufmerksamkeit und Zuwendung brauchen. Es gilt, alle Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder in Balance zu halten, damit sich alle miteinander wohl fühlen können. Alle brauchen ihren Platz an der Sonne um gedeihen zu können.


Und das Wichtigste ist die Liebe. Keine Therapie kann Calista so stärken fürs Leben wie die Erfahrung, geliebt zu werden.




Am Montag vor dem Rundgespräch habe ich den Kindern Erdbeeren gekauft. Beim Waschen fiel mir sofort diese leuchtende Frucht auf. Seht ihr es auch? - Die Hand der Fatima! Diese Segen spendende Hand ist zu uns in die Küche gekommen. Rot, saftig und verlockend. Einladend, dieses orientalische Symbol für Kraft und Glück zu verinnerlichen. Und ich schicke einen stillen Gruß nach oben, zu meinem Schwiegervater Saïd. 

Ich danke, für die Kraft und das Glück!

1 Kommentar:

  1. Was für ein wunderbarer Text.
    Er berührt mein Herz.
    Dazu die Bilder, die mich schmunzeln machen.
    Danke.
    Grüße
    Oona

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